Hilfsorganisationen und Migrationsforscher kritisieren die Debatte um eine Arbeitspflicht für Asylbewerber als irreführend. Die Politik suggeriere damit, das Problem seien die angeblich faulen Asylsuchenden, sagte Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Richtig sei hingegen, dass die Geflüchteten vom Arbeitsmarkt ausgegrenzt würden. Auch Pro Asyl betonte, die Flüchtlinge wollten arbeiten, dürften aber nicht. Der Osnabrücker Migrationsforscher Jochen Oltmer fordert ein Recht auf Arbeit für Asylbewerber von Beginn an:

"Wenn wir diese Menschen in Arbeit bringen wollen, weil wir einen Mangel an Arbeitskräften haben und gleichzeitig Sozialleistungen einsparen wollen, dann wäre es sinnvoll, ihnen vom ersten Tag an Arbeitsmöglichkeiten zu bieten."

Der Historiker an der Universität Osnabrück sieht damit zugleich die Chance, die Ziele des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes zu erfüllen. "Anstatt Fachkräfte aus dem Ausland mühsam anzuwerben, könnte man diejenigen nehmen, die schon da sind." Menschen, die sich im Asylverfahren befinden, könnten entsprechend ihrer Qualifikation eingesetzt werden und ihren Lebensunterhalt verdienen.

Recht auf Arbeit für alle

Das Recht auf Arbeit nur Menschen mit einer Bleibeperspektive zuzugestehen, hält Oltmer für unrealistisch.

"Die Praxis zeigt, dass es meistens langwierig ist, festzustellen, wer bleiben darf und wer nicht."

Die Asylverfahren dauerten lange. Es sei nicht ersichtlich, warum sich das ändern sollte. Zudem klagten viele Asylbewerber mit Erfolg gegen eine Ablehnung. 

Der Professor am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) warnte die Politik zudem vor einer Stimmungsmache in der deutschen Gesellschaft gegen Asylbewerber. Die Diskussion um die Arbeitspflicht, die Einführung der Bezahlkarte und die Kürzung von Sozialleistungen veränderten den Blick auf die Asylbewerber. "Man begegnet ihnen aus der Perspektive des hemmungslosen Misstrauens. Sie gelten nicht mehr als Schutzsuchende und zukünftige Mitglieder der Gesellschaft, die auch etwas beitragen können und wollen, sondern plötzlich als potenzielle Schmarotzer."

Pro Asyl: Asylbewerber zum Nichtstun verdammt

Pro-Asyl-Referentin Andrea Kothen sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", die Asylbewerber seien wegen des Arbeitsverbotes und langwieriger Erlaubnisverfahren häufig zum Nichtstun verdammt. Die Debatte um eine Arbeitspflicht für 80 Cent pro Stunde "setzt dem Ganzen die Krone auf", sagte Kothen. Sie rief die Regierungen in Bund und Ländern dazu auf, Flüchtlingen den Einstieg in den regulären Arbeitsmarkt zu erleichtern.

Kai Weber forderte, die Betroffenen sollten von Anfang an von den Arbeitsagenturen beraten werden. Bisher dauere es im Durchschnitt zwei Jahre, bis Asylsuchende von der Arbeitsverwaltung erreicht würden, weil sie als Leistungsempfänger dem Sozialamt unterworfen seien. Die gerade beschlossene Verlängerung der Bezugsdauer auf 36 Monate verstärke die Ausgrenzung vom Arbeitsmarkt sogar noch, kritisierte Weber. Eine Betätigung von vier Stunden täglich in Gemeinschaftsunterkünften für 80 Cent pro Stunde sei bereits gängige Praxis.

"Sie wird in der Regel nicht erzwungen, weil das Interesse an einem solchen Zubrot so groß ist, dass die Nachfrage das Angebot meist überschreitet."

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