Blutunterlaufene, blitzende Augen, das gefletschte Maul voller spitzer Zähne und eine grimmige Hakennase im Gesicht: Der kleine Simon steht Auge in Auge mit dem Ungeheuer. Zum Glück ist die Mutter Stephanie Huber gleich in der Nähe und hält den Dreijährigen sicher im Arm. Neugier, Vorsicht und Angst wechseln im Gesicht des Kindes.

Kindern die Angst vor Perchten nehmen

Da schiebt Mathias Höglauer vorsichtig die furchterregende Holzmaske mit den sechs Hörnern nach oben. Darunter kommt das Gesicht des 26-Jährigen zum Vorschein. Er grinst und hockt sich, eingepackt in ein Kostüm aus dickem Ziegenfell, auf die Knie. Mathias und seine Kollegen von den Stoa Perchten im oberbayerischen Waging am See sind in einer Mission unterwegs: Sie wollen Kindern die Angst vor den Perchten nehmen und ihnen sowie ihren Eltern den alten Brauch wieder nahebringen.

Traditionell sind die Perchten in den zwölf als magisch angesehenen Rauhnächten zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag unterwegs. Vielerorts finden aber auch vorher schon Perchtenläufe statt. Als Brauchtum der Wintersonnenwende reichen die Perchten sehr weit zurück. Trotz ihres schaurigen Aussehens sind die zotteligen Gesellen Glücks- und Segensbringer, die die bösen Geister der Dunkelheit abwehren. Sie sollen Haus und Hof vor Unglück bewahren sowie Fruchtbarkeit bringen. Ein Schlag mit der Rossschweifrute bringt angeblich Glück.

Unterschied zu den Kramperl

Dominik Hell, zweiter Vorstand der Stoa Perchten, erläutert den Unterschied: "Die Perchten sind deutlich von den Kramperl zu unterscheiden, die den heiligen Nikolaus begleiten. Diese haben meist nur zwei Hörner, einen Glockengürtel und eine lange rote Zunge, die aus dem Maul hängt. Mit der Rute sollen sie allen unartigen Kindern Angst einflößen." Die Perchten zeichnen sich Hell zufolge dagegen durch mehrere Hörnerpaare auf dem Kopf aus, meist von Geißböcken oder Widdern. Dazu tragen sie Schaffelle und mehrere laute Schellen auf dem Rücken.

Im Jahr 2017 haben sich die Stoa Perchten in Waging gegründet. Eines der Ziele der 17 Perchtenläufer und sechs Hexen war, sich wieder mehr aufs Brauchtum zu besinnen und wegzukommen von Grusel-Trends mit Horrormasken.

"Das ist zum Teil ausgeufert mit schaurigen Ork-Masken und supergruseligen Inszenierungen voller Schockeffekte",

gesteht Hell. Von einem Schnitzer in Villach haben sich die Waginger spezielle Masken machen lassen mit reißzahnbewehrten Klappmäulern. Die finden sich sonst nur noch bei den Traditionsperchten in Kirchseeon.

Keine Angst vor Glücksbringern

Die Stoa Perchten haben sich auf die Fahne geschrieben, "Kindern durch geeignete Workshops die Angst vor diesen Glücksbringern zu nehmen". Mit diesem Ansatz werden sie mittlerweile schon von anderen Gruppen kopiert. Sogar im Kindergarten waren sie schon. Vorstandsmitglied Gitti Aicher macht das aus persönlichem Antrieb:

"Ich kann mich noch ganz gut daran erinnern, wie meine Oma mir immer mit der von vielen Sagen umwobenen Frau Percht Angst eingejagt hat."

Reger Andrang herrscht bei dem Kinderworkshop der Stoa Perchten vor dem Schaulaufen durch das Ortszentrum von Waging am See. Auf dem Boden im Feuerwehrhaus sind mehrere Perchtenkostüme mit Masken ausgebreitet, während Dominik Hell die Hintergründe des Brauchtums erläutert. Gebannt lauschen rund 130 Zuschauer seinen Worten. Die meisten sind Familien mit Kindern zwischen zwei und elf Jahren. Im Anschluss dürfen die Kinder selbst Masken aufsetzen, die Felle streicheln oder den Perchten ins Maul fassen - eine echte Mutprobe.

Neugier siegt über Angst

"Ich find’s cool", sagt Caroline Rösler (12), die mit ihrer Freundin Jennifer (10) zum Selfie mit Percht posiert hat. "Wir sind zum ersten Mal da und finden die Aktion toll", sagt Florian Hammel aus Inzell, Vater der fünfjährigen Amélie, die vorsichtig eine Maske untersucht.

Auch der dreijährige Simon fasst sich nach mehreren Anläufen ein Herz. Die Neugier siegt schließlich doch über die Angst. Aus den Armen von Mutter Stephanie geht er Schritt für Schritt auf den Perchtenläufer Mathias Höglauer zu und streichelt das Zottelfell.