"Die Leute scharren mit den Hufen, die wollen raus", sagt Klüpfel, der bei der Lebenshilfe Würzburg im Fachbereich Urlaub und Freizeit arbeitet. Seit vielen Jahren organisiert und begleitet der 52-jährige Reisen für Menschen mit Behinderungen.

Das ist schon ohne Corona-Pandemie knifflig - und jetzt, mit den Hygienevorschriften, sowieso. "Viele Einrichtungen haben deshalb ihr Urlaubs- und Freizeitangebot für 2020 komplett gestrichen.

Auch bei der Lebenshilfe Würzburg, die bayernweit einer der größten Anbieter von Urlaubsreisen und Freizeiten für Menschen mit Behinderung verschiedenen Alters ist, wurden wegen der Corona-Pandemie viele Angebote ersatzlos gestrichen.

Mehr als die Hälfte aller Reisen musste wegen der strengen behördlichen Vorgaben für Behinderteneinrichtungen ausfallen.

"Und das, was noch nicht abgesagt wurde, muss aufwendig umorganisiert werden", betont Klüpfel. "Wir müssen wegen der Hygienevorgaben jede Unterkunft und jeden Bettenplatz neu bewerten."

Während also Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und andere Politiker zum Urlaub im eigenen Land aufrufen - und viele diesem Aufruf schon in den Pfingstferien gefolgt sind - mussten Menschen mit Behinderung weiter in ihren Einrichtungen bleiben. Sich spontan ins Auto setzen und losfahren, das können die wenigsten seiner Kunden, sagt Klüpfel.

Die Corona-Auflagen verkomplizierten vieles, so richtig sie auch seien: "Zehn Stunden Autofahrt nach Ungarn mit Schutzmaske - für einige Menschen mit Behinderung unmöglich. Zudem: Ich brauche mehr Autos, ich darf die Kleinbusse ja nicht voll besetzen."

Trotzdem ist Klüpfel zuversichtlich, dass die ein oder andere Reise unter veränderten Hygienebedingungen noch stattfinden kann - mit weniger Teilnehmern etwa.

"Ein Drittel der ursprünglich angebotenen Plätze bei noch nicht stornierten Reisen wird wegen der Infektionsschutzauflagen wegfallen müssen", vermutet Klüpfel.

Im Klartext: Nicht jeder, der verreisen will, werde es dieses Jahr auch können. "Das ist besonders hart, denn neben Kindern und Senioren waren und sind Menschen mit einer Behinderung von den Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie überdurchschnittlich stark betroffen", erläutert er.

Die Offene Behindertenarbeit (OBA) der Lebenshilfe München hat wegen Corona sogar ihr gesamtes Freizeit- und Bildungsprogramm für Jugendliche und Erwachsene bis Ende August abgesagt, teilte eine Sprecherin dem Sonntagsblatt mit.

Auch die sechs geplanten Sommerreisen seien gestrichen. Im Rahmen der inzwischen geltenden Lockerungen aber würden für allein oder bei Angehörigen lebende Menschen mit Behinderung kleine Freizeitangebote auf die Beine gestellt, die zwischen zwei Stunden und einem Tag dauern sollen. Auch die Planungen für 2021 seien aktuell schwierig.

Reisen abgesagt

Bei den Offenen Hilfen der Lebenshilfe Neumarkt wurde zwar noch nicht alles für dieses Jahr abgesagt - aber vieles. Auch in Landshut werden es vor allem Tagesausflüge in kleinen Gruppen sein, die noch umgesetzt werden. Gruppenreisen seien aktuell nicht machbar, heißt es. Um Stornokosten zu vermeiden, habe man im Juni alles abgesagt.

Man hätte aber auch nicht genügend Personal gehabt. Denn die sonst oftmals als Reisebegleiter eingesetzten Mitarbeiter der Werkstätten für Menschen mit Behinderung stünden etwa wegen der verschobenen Betriebsferien dort heuer gar nicht zur Verfügung.

Die Landesvorsitzende der Lebenshilfe in Bayern, die frühere Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU), dankte den Mitarbeitern ihres Verbandes, dass sie nach den geltenden Lockerungen vielerorts doch noch versuchen, Freizeitangebote oder Urlaube auf die Beine zu stellen. Diese seien "bei aller gebotenen Vorsicht und Fürsorge" ein "wichtiger Schritt hin zu einer Normalität, die wir uns alle wünschen".

Seit 18. Juni können Menschen mit Behinderung wieder gemeinsam verreisen, wenn sie in zusammen in einer Wohngruppe leben. Auch Gruppentreffen bis zu zehn Personen sind wieder möglich.

Doch Tagesausflüge und Gruppentreffen können die Urlaubsreise nicht ersetzen, sagt Klüpfel: "Die persönliche Wahrnehmung vieler unserer Kunden ist: Alle dürfen wieder verreisen, nur sie nicht." Sie fühlten sich benachteiligt.

"Und ich kann auch gut verstehen, dass ihnen langsam die Decke auf den Kopf fällt." Der Pädagoge ist überzeugt: "Corona ist für Menschen mit Behinderung ein besonders nachhaltiges, negatives Erlebnis."