Um den Betreuungsbedarf der Eltern zu erfüllen, fehlen nach Berechnungen der Bertelsmann Stiftung fast 430.000 Kita-Plätze in Deutschland. Der Rechtsanspruch auf eine Kindertagesbetreuung könne für hunderttausende Kinder nicht eingelöst werden, erklärte die Stiftung am Dienstag bei der Vorlage ihrer Studie in Gütersloh. Zudem würden mehr als zwei Drittel der Kinder in Gruppen mit einem "nicht kindgerechten" Personalschlüssel betreut. Um Abhilfe zu schaffen, werden vor allem zusätzliche Fachkräfte benötigt.

In Bayern gibt es laut dem "Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme" rund 70.000 Kita-Plätze zu wenig. Ingesamt sind es in den westdeutschen Bundesländern 385.900 Kita-Plätze zu wenig, am meisten davon in Nordrhein-Westfalen mit rund 110.000. In Ostdeutschland einschließlich Berlin fehlen 44.700 Plätze. In Westdeutschland haben nur 32 Prozent der unter Dreijährigen einen Platz in einer Kindertageseinrichtung - für 47 Prozent melden Eltern Bedarf an.

Im Westen ist eine Vollzeit-Fachkraft rechnerisch für 3,4 Kinder unter drei Jahren beziehungsweise 7,7 ältere Kinder zuständig. Für eine "kindgerechte Betreuung" empfiehlt die Bertelsmann Stiftung eine Vollzeit-Fachkraft für drei Krippenkinder oder 7,5 Kindergartenkinder. Bei 62 Prozent der Kita-Kinder in Westdeutschland genüge der Personalschlüssel nicht, heißt es im "Fachkräfte-Radar für Kita und Grundschule". In allen Bundesländern brauche es langfristige Strategien für die Gewinnung und Qualifizierung von neuen Fachkräften, hieß es.

Die bayerische Familienministerin Ulrike Scharf (CSU) sagte am Dienstag in München, sie habe "alle Hebel in Bewegung gesetzt, um mehr Fachkräfte zu gewinnen und für diesen sinnstiftenden Beruf zu begeistern".

Quereinsteiger und Quereinsteigerinnen würden mit dem "Gesamtkonzept für berufliche Weiterbildung" qualifiziert. Das pädagogische Personal werde entlastet, indem mehr Teamkräfte etwa in der Verwaltung oder im hauswirtschaftlichen Bereich eingesetzt würden. Familien-, sozial-, und integrationspolitisch sei die Kinderbetreuung "eine der größten Aufgaben unserer Zeit". Den von der Bertelsmann Stiftung geäußerten Vorschlag, die Kita-Öffnungszeiten zu verkürzen, bezeichnete Scharf als "absolut realitätsfremd".

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag, Katharina Schulze, sieht "dringenden Handlungsbedarf in der bayerischen Kita-Landschaft". Als Sofortmaßnahmen für bessere Arbeitsbedingungen in den Kitas forderte sie eine bessere staatliche Betriebskostenförderung, eine Vergütung der Ausbildung zur Kinderpflegerin sowie kostenfreie Weiterqualifizierungen für Quereinsteigerinnen. Außerdem müssten die Kita-Mittel aus dem Bund, über 500 Millionen Euro jährlich, zu 100 Prozent in Qualität statt in Beitragsentlastungen fließen, sagte Schulze.

Ein Sonderinvestitionsprogramm für Kita-Träger für den Ausbau hochwertiger Betreuungsangebote forderte die bayerische SPD. "Eine flächendeckende und gute Kinderbetreuung muss uns das Geld wert sein", sagte Doris Rauscher, Vorsitzende des Sozialausschusses und sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag.

Für ihre Analyse hat die Bertelsmann Stiftung nach eigenen Angaben vor allem Daten der Statistischen Ämter von Bund und Ländern, des Bundesfamilienministeriums und des Deutschen Jugend-Instituts ausgewertet.

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