Seit fast drei Jahrzehnten gilt die Einrichtung "Brücke-Köprü" in Nürnberg als interreligiöser Leuchtturm. Hier kommen Muslime und Christen zum Glaubensgespräch zusammen, angehende Lehrkräfte lernen in der Praxiswerkstatt "Ethik-Religion", Jugendliche verschiedener Religionen kreieren Ausstellungen oder Medienprojekte. Regelmäßige Angebote sind die zweisprachige Krabbelgruppe "Sterne-Yildizlar" oder der Gesprächskreis "Bibel & Koran". Doch nun schwankt die Brücke, weil ihre weitere Finanzierung unsicher ist. Die evangelische Landeskirche stellt landesweite Dienste auf den Prüfstand und will ihre Zuschüsse kürzen.
Personal- und Sachkosten: Die bayerische Landeskirche muss sparen
Bisher hat die Landeskirche 1,5 Stellen in der Einrichtung bezahlt, die seit 2008 organisatorisch zum Prodekanat Nürnberg-Süd gehört. Außerdem übernahm sie die Sachkosten, aus denen unter anderem eine türkischsprechende Sekretärin bezahlt werden konnte, sagt Dekanin Britta Müller. Die beunruhigende Nachricht ist, dass man aus München nur noch so viel Finanzmittel überweisen will, wie das Dekanat in die Brücke steckt. Das bezahlt bislang nur eine halbe Stelle einer Religionspädagogin. Will das Dekanat die Einrichtung im jetzigen Umfang weiterführen wie bisher, kämen wohl 100.000 Euro jährliche Kosten auf sie zu, wurde jüngst bei der Dekanatssynode klar.
Es sei unstrittig, dass sich das Dekanat an der Brücke mehr beteiligen werde, sagt Müller, aber derzeit müsse das Dekanat an "allen Ecken und Enden sparen". Laut Landesstellenplan muss der Dekanatsbezirk in Zukunft mit 15 Prozent weniger Stellen auskommen: Das bedeutet, 17 Stellen fallen ohnehin weg. Ein Umschichten dürfte also schwierig werden. Schlüsselzuweisungen werden wegen der sinkenden Mitgliederzahlen ebenfalls weniger.
"Brücke" ist Anlaufstelle für Erziehung und Studium
Alle in der Kirche stünden "unter einem enormen Kürzungsdruck", stellt Müller fest. Aber für die Brücke gebe es "eine schwierige Gemengelage": Sie ist sowohl Nürnberger als auch landeskirchliche Einrichtung, sie ist einerseits für den interreligiösen Dialog in der Stadtgesellschaft wichtig, andererseits auch für die Fortbildung von Studierenden, Polizisten oder Erzieherinnen landesweit.
"Diese Aufgaben sind ganz wichtig - für das Profil der Brücke und die Wirkung in die Gesellschaft", räumt der Leiter der Abteilung C der Landeskirche, Oberkirchenrat Michael Martin, ein. Eine Reduzierung solcher Aufgaben stehe erst an, wenn sich alle Beteiligten, das Dekanat, die Landeskirche und mögliche Kooperationspartner nicht mehr an der Brücke beteiligen könnten. Gespräche über eine zukünftige Finanzierung hätten aber erst begonnen.
Wie geht es weiter mit der "Brücke"?
"Die Dialogarbeit ist so wichtig, da müssen wir in Zukunft Bündnisse schmieden", sagt auch die Dekanin. Das Zauberwort heißt also "Kooperationen". Der Leiter der Brücke, Pfarrer und Islamwissenschaftler Thomas Amberg, denkt darüber schon seit einigen Jahren nach, wie er sagt. Im Rahmen des Reformprozesses "Profil und Konzentration" habe er in einer Zukunftswerkstatt die Gestaltungsmöglichkeiten für die Brücke ausgelotet, berichtet er, nun sei er jedoch "irritiert, dass die Landeskirche nur nüchtern auf Einsparungsmöglichkeiten schaut".
Die Einrichtung Brücke ist für ihn eine Experimentierwerkstatt, in der Modelle für den interreligiösen Dialog erprobt würden. "Wir haben die Bodenhaftung im Alltag", beschreibt er die Arbeit. "Was es gesellschaftlich heißt, Brücken in einer pluralen Stadtgesellschaft zu schlagen, könnten wir auch beim Evangelischen Kirchentag 2023 in Nürnberg zeigen."
Welche Möglichkeiten sich durch die Einsparungen ergeben
Amberg steckt also den Kopf nicht in den Sand. "Es tun sich durch den Sparzwang auch Chancen auf", sagt er. Er versucht unter anderem, mit dem Rat der Religionen zusammenzukommen, oder spricht mit dem Menschenrechtsbüro der Stadt Nürnberg. Das könnte sich eventuell auf die Erfahrung der Brücke stützen wollen, weil die Stadt zur religiösen Neutralität verpflichtet ist.
Netzwerke und Kooperation, Öffentlichkeitsarbeit und Social Media, das sind Ambergs Zukunftsvisionen. Gelder könnten aus verschiedenen Quellen fließen. Schon bisher habe die Brücke unter anderem für Jugendaktionen Fremdmittel aus Stiftungen und Bildungsprogrammen abgerufen, sagt er. Keinesfalls kann sich der Leiter vorstellen, dass die Brücke eine Abteilung in einem kirchlichen Amt wird, und er will auch "keinen Rückzug in ein Nebenzimmer eines Bildungswerks".