Die Christ*innen und andere religiöse Minderheiten haben im Irak nach Einschätzung von Oberkirchenrat Michael Martin einen immer schwereren Stand.
Vor allem im Zentralirak und der Ninive-Ebene, die stark unter dem Einfluss des schiitischen Irans stünden, werde die Situation für Christ*innen, insbesondere aber auch für Jesiden, immer belastender, sagte der Theologe, der in der bayerischen Landeskirche für Mission und Außenkontakte zuständig ist, in einem epd-Gespräch.
Deshalb sei in diesen Bereichen auch der Wiederaufbau der Dörfer von geflohenen Christ*innen, an dem sich auch die evangelische Landeskirche beteiligt, sehr schwierig, aber auch notwendig für eine echte Perspektive im Land.
Lage im Nordirak wird positiver bewertet
Sehr viel positiver für Christen und andere religiöse Gruppen ist Martin zufolge die Lage im Nordirak. In diesem Gebiet, das von Kurd*innen regiert werde, gehe der Wiederaufbau der Dörfer voran, gebe es keine Attentate oder Sprengstoffanschläge.
Denn die Kurd*innen seien säkulare Muslime, die ein multiethnisches Zusammenleben verschiedener Gruppen ermöglichten. Deshalb gebe es auch im Nahla-Tal in den kurdischen Bergen sieben von Christ*innen bewohnte Dörfer, die von der bayerischen Landeskirche unterstützt werden.
Landeskirche leistet finanzielle Unterstützung
Es würden Straßen gebaut, Bewässerungskanäle renoviert und junge Menschen hätten berufliche Perspektiven, sagt Martin. Insgesamt hat die Landeskirche den Angaben zufolge Projekte im Nordirak im letzten Jahr mit etwa 2,4 Millionen Euro gefördert, 1,3 Millionen Euro erhielt die Partnerorganisation CAPNI (Christian Aid Programm Northern Iraq).
Zu den altorientalischen Christ*innen in ihrem ursprünglichen Siedlungsgebiet in der heutigen Südosttürkei, Syrien und Irak haben die bayerischen Protestant*innen eine enge Beziehung, seit in den 1980er und 1990er Jahren vorwiegend nach Augsburg Christ*innen aus dem Tur Abdin kamen, einer von ihnen bewohnten Hochfläche im Südosten der heutigen Türkei im Grenzgebiet von Syrien und Irak.
Zukunft des Christentums im Irak ist ungewiss
Trotz der günstigen Bedingungen im Nordirak sei es ungewiss, ob das Christentum im Irak weiterhin Bestand habe.
"Viele junge Leute sitzen auf gepackten Koffern", sagte Oberkirchenrat Martin. Da bereits viele irakische Christ*innen ausgewandert seien und jetzt in Kanada, den USA, Australien oder Europa lebten, hätten sie gute Chancen, dort neu Fuß zu fassen.
Mit den letzten Christ*innen würde aber eine jahrtausendalte Kultur verschwinden, da diese Kultur bis zu den vorchristlichen Aramäer*innen, Assyrer*innen und Chaldäer*innen reiche, bedauerte Martin.