Der Widerstand aus Teilen der Bundesregierung konnte es am Ende nicht stoppen: Die EU-Staaten haben den Weg für das europäische Lieferkettengesetz frei gemacht. Wie die belgische Ratspräsidentschaft mitteilte, stimmte eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten für die Richtlinie, nach der europäische Unternehmen künftig die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards in ihren Lieferketten sicherstellen müssen. Weil die FDP gegen das Vorhaben war, hatte sich Deutschland auch bei dieser letzten Abstimmung im Rat enthalten, obwohl das Gesetz nochmals abgeschwächt wurde.

Der angenommene Gesetzentwurf sieht weniger strenge Regeln vor als der ursprüngliche Entwurf. Zunächst sollte das EU-Lieferkettengesetz bereits für Unternehmen ab 500 Beschäftigten mit einem globalen Umsatz von mehr als 150 Millionen Euro im Jahr gelten. Der neue Entwurf, der dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt, gilt nun für Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten. Die jährliche Umsatzschwelle liegt bei 450 Millionen Euro. Auch die Möglichkeit einer zivilrechtlichen Haftung wurde abgeschwächt.

Nach Einschätzung der Organisation "Initiative Lieferkettengesetz" gilt das Gesetz nun nur noch für ein Drittel der Unternehmen als ursprünglich vorgesehen, in Summe für rund 5.500 Unternehmen.

"Wir sind enttäuscht, dass das Vorhaben so ausgehöhlt wurde", sagte Johanna Kusch von der Organisation. Dennoch äußerte sie sich erleichtert, dass die Mehrheit zustande kam.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der das Gesetz federführend für die Bundesregierung mit verhandelt hat, begrüßte das Votum, das ohne deutsches Ja zustande kam. Es sei endlich gelungen, "eine gemeinsame europäische Lösung für faire Lieferketten zu finden". Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) sprach von einem "Meilenstein" und erklärte, mit einem EU-Lieferkettengesetz gebe es künftig gleiche Wettbewerbsbedingungen.

"Niemand muss im Binnenmarkt mehr Nachteile befürchten, weil er fair und ohne Kinderarbeit produzieren lässt."

Als einen "Meilenstein mit Abstrichen" bezeichnete dagegen die Organisation Oxfam den angenommenen, abgeschwächten Gesetzestext. Auch viele andere Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen wie Misereor, Südwind, der BUND, die Deutsche Umwelthilfe und Germanwatch äußerten zu gleichen Teilen Erleichterung über die Mehrheit für das Gesetz sowie Kritik am deutschen Abstimmungsverhalten und den Veränderungen in letzter Minute.

Die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Julia Duchrow, sagte, es sei bitter, "dass sich Deutschland enthalten hat, nachdem es zuvor für massive Verschlechterungen im Gesetzestext gesorgt hat".

"Brot für die Welt"-Präsidentin Dagmar Pruin hob das Positive hervor: "Nichtsdestotrotz verbessert das EU-Lieferkettengesetz mit seinen Vorkehrungen zu zivilrechtlicher Haftung den Rechtsschutz von Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen."

Enttäuschung gab es bei der FDP. Die Verabschiedung der EU-Lieferkettenrichtlinie sei "ein schwarzer Tag für den Mittelstand", sagte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Pascal Kober, und sprach von "enormem bürokratischen Mehraufwand" und rechtlichen Risiken für Unternehmen. Man brauche nun dringend mehr Bürokratieabbau in anderen Bereichen.

EU-Mitgliedsstaaten, EU-Parlament und Kommission hatten sich bereits im Dezember auf das Gesetz geeinigt. Danach hatte allerdings die FDP ihr Veto erklärt. Deutschland musste sich deshalb bei der Abstimmung enthalten. Der von den EU-Staaten angenommene Kompromiss muss noch vom EU-Parlament bestätigt werden. Nach Angaben der EU-Abgeordneten Anna Cavazzini (Grüne) ist die Abstimmung für April geplant. Armin Paasch, Experte des katholischen Hilfswerks Misereor in Aachen, appellierte an die Abgeordneten des EU-Parlaments, dem Gesetz trotz "drastischer Verwässerungen" im ursprünglichen Text rasch zuzustimmen, "damit Mensch und Natur in globalen Geschäften europäischer Unternehmen künftig besser geschützt werden".

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