Neujahrsvorsätze sind besser als ihr Ruf

Neujahrsvorsätze haben längst kein gutes Standing mehr. Warum ein letztlich willkürlich gesetztes Datum zum Anlass nehmen, wo ich doch jeden Tag mein Leben, meine Gewohnheiten ändern kann? So lautet ein populäres Gegenargument. 

Mich überzeugt das nicht. Es ist ja gerade das Schlimme, das grundsätzlich jederzeit die Möglichkeit bestünde, ein neues Leben anzufangen. Zumindest bei mir ist es so: Wenn ich keine feste Deadline habe, drücke ich mich oft davor, mit etwas anzufangen. 

Und Neujahr bietet nun mal genau das: Eine feste Deadline. Bis 0 Uhr an Silvester kann ich sündigen – doch dann beginnt ein neues Jahr. Klar, das ist nur eine von Menschen gemachte Festlegung. Aber diese Festlegung kann sehr hilfreich dabei sein, den richtigen Spirit für Veränderungen zu entwickeln.

Zumal der Zeitpunkt auch einfach günstig liegt. Der Weihnachts- und Silvestertrubel ist vorbei. Der Winter hat gerade erst so richtig angefangen. Ein guter Moment, sich zu besinnen und zu fokussieren. Das neue Jahr ist noch frisch und jungfräulich, noch nicht durch Gewohnheit und Alltagsstress abgenutzt und verbraucht. Alles ist noch drin, es kann das beste Jahr meines Lebens werden. Genau jetzt habe ich die nötige Ruhe, um ein bestimmtes Vorhaben endlich umzusetzen – und dem neuen Jahr eine gute Richtung zu geben.

Ob es dann das ganze Jahr hält? Im besten Falle schon. Aber auch das muss nicht sein. Wir müssen von Neujahrsvorsätzen auch nicht zu viel erwarten, in unserem stetig wachsenden Optimierungswahn. Sie werden vielleicht nicht unser Leben verändern. Vielleicht stellen wir auch fest, dass wir uns zu viel vorgenommen haben. Das ist doch aber auch etwas wert. Jedenfalls mehr, als es überhaupt nicht probiert zu haben. 

Oliver Marquart

Vorsätze, an die sich keiner hält

Mal Hand aufs Herz, welchen Vorsatz habt ihr jemals durchgezogen? Also vom 1.1. bis zum 31.12.? Seit meiner Schulzeit kenne ich Menschen, die sich zum Jahresende so einiges vornehmen: mehr Sport, weniger Zucker, mehr Gelassenheit, weniger Alkohol...

Die Liste an guten Vorsätzen ist lang. Ungefähr genauso lang, wie die Liste an Büchern oder Artikeln, die beim Umsetzen zu Hilfe eilen. "Die besten Neujahrsvorsätze" oder "Wie wir es schaffen, unsere Neujahrsvorsätze einzuhalten".

Mit dem Ende des Jahres, oder eher mit dem Beginn eines neuen, sind so viele Erwartungen an uns selbst verknüpft. Der Druck ist hoch, endlich unser neues Leben anzufangen und mit alten, schlechten Angewohnheiten Schluss zu machen. Aber geht das nicht auch anders? Ohne Vorsätze, ohne Druck und ohne schlechtes Gewissen?

Seit ein paar Jahren habe ich für mich eine gute Lösung gefunden, um mit den Vorsätzen nicht mehr auf Kriegsfuß zu stehen. Im Dezember nehme ich mir Dinge vor, die ich im kommenden Jahr tun möchte: Eine bestimmte Anzahl Bücher lesen, bestimmte Orte besuchen oder neue Gerichte kochen. Je konkreter, desto besser. Für 2023 nehme ich mir beispielsweise vor, dass ich ein Paar Socken stricken möchte. Ob ich das nun direkt am 1. Januar umsetze oder erst im Herbst, bleibt dabei mir überlassen.

Statt von einem Tag auf den anderen Vorsätze umsetzen zu müssen, kann ich mich auf kommende Erlebnisse freuen. Das nächste Buch, einen neuen Ort, den ich noch nicht besucht habe, das Gericht, das ich noch nie gekocht habe oder die wahrscheinlich furchtbar aussehenden Stricksocken. So startet das neue Jahr nicht mit Vorsätzen, die ich nach vier bis sechs Wochen wieder fallenlasse, sondern mit der Vorfreude auf die kommenden 365 Tage.

Lea Maria Kiehlmeier