Damit es gelinge, den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung umzusetzen, brauche es mehr Lobbyarbeit für pädagogische Berufe sowie eine engere Verzahnung der Systeme Schule und Jugendhilfe, sagte Betz. Wenn das Konzept des kooperativen Ganztags (KoGa) gelingen solle, "müssen Lehrerkollegium und KoGa-Team auf Augenhöhe agieren."

Ganztagsanspruch ab 2026

Solch eine Vernetzungsarbeit und die dafür nötige Öffnung des Systems Schule dürfe nicht unterschätzt werden. "Im kooperativen Ganztag müssen Räume gemeinsam genutzt und eine gemeinsame Tagesstruktur entwickelt werden", erklärte die Diakonie-Chefin.

Wenn es statt eines Lehrerzimmers ein gemeinsames Team-Zimmer gebe, verändere sich auch die Haltung der Beteiligten. Allerdings müsse dieser Gesinnungswechsel "von oben" unterstützt werden, sagte Betz. Sie wünsche sich deshalb bei der Frage des Ganztags eine engere Kooperation zwischen Sozial- und Kultusministerium.

Personalmangel im Erziehungsbereich

Mit Blick auf den chronischen Personalmangel im Erziehungsbereich setzt Betz auf neue Qualifizierungsprogramme. So sei die Weiterbildung zur "Ergänzungskraft für Grundschulkindbetreuung" zeitlich nicht so aufwendig wie die Ausbildung zur Erzieherin.

Gerade für zugewanderte Menschen mit einer pädagogischen Qualifikation, die in Deutschland nicht anerkannt werde, könnten solche Programme eine gute Chance sein. An der Fachakademie für Sozialpädagogik habe die Diakonie München inzwischen fünf Personen als "Ergänzungskraft" ausgebildet.

Andrea Betz 

Ob alle Grundschulen 2026 ausreichend Ganztagsangebote anbieten, hänge davon ab, ob in den nächsten zwei Jahren überall die räumlichen und konzeptionellen Voraussetzungen geschaffen werden könnten. "In den Regionen besteht noch ein großes Potenzial, den kooperativen Ganztag auszubauen", sagte Betz. Sie wünsche sich, dass diese Chance genutzt werde, damit mehr Plätze entstünden. Derzeit würden jedoch "die Zuständigkeiten hin- und hergeschoben", habe sie beobachtet.

Dabei sei das Modell des kooperativen Ganztags mit Blick auf pädagogische Betreuung sowie Bildungs- und Entwicklungsgerechtigkeit "das beste System", betonte die Diplom-Sozialpädagogin. Sie begrüße trotz aller Herausforderungen den künftigen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung: "Es ist fair und gerecht, wenn alle, die einen Platz brauchen, ihn auch bekommen."

Die Diakonie München und Oberbayern ist derzeit Trägerin des kooperativen Ganztags an vier Grundschulen in München. Am Dienstag (15. Oktober) informiert sich Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) bei einem Ortsbesuch an der Grundschule in der Oberföhringer Straße über die Arbeit. Den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder hat die Bundesregierung im Jahr 2021 beschlossen. Er gilt ab 1. August 2026 für Erstklässler und wird schrittweise bis 2029 auf alle Jahrgangsstufen ausgeweitet.

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