Technik, die der Menschheit dient – das heißt digitales Gemeinwohl. Doch wie können wir diese Prozesse steuern? Das erkundet eine Tagung für junge Erwachsene der Evangelischen Akademie Tutzing. Studienleiterin Julia Wunderlich erklärt im Interview, wie sich junge Menschen hier engagieren können.

Die Evangelische Akademie Tutzing veranstaltet eine Tagung für Jugendliche und junge Erwachsene über digitales Gemeinwohl. Warum ist das wichtig?

Technik, die der Menschheit dient – das heißt digitales Gemeinwohl. Technik zu gestalten, geht uns alle an. Wir leben in Zeiten sich überschlagender Krisen, dabei verstärkt die Digitalität gesellschaftliche Prozesse. Einerseits nutzen Kriegsparteien digitale Plattformen als Kommunikationswaffe. Auf der anderen Seite intensiviert die digitale Vernetzung auch Solidarität, wie zum Beispiel gerade im Iran, für Frauen, Freiheit, Leben. 

Mit Fokus auf Digitalethik stellen wir die Frage nach dem Gemeinwohl auf der Tagung – aus Sicht der jungen politischen Philosophie.

Gemeinwohl und Digitalethik

Das Gemeinwohl hat in der Philosophie eine lange Geschichte. Ursprünglich war das die reine Aufgabe des Staats. Aber:

Alle haben die Verantwortung, Technologien zu gestalten.

Für digitales Gemeinwohl engagieren sich auch neue Player, wie zum Beispiel das journalistische Medium netzpolitik.org.  Diese Plattform setzt sich für digitale Freiheitsrechte ein und will den technologischen Wandel in den Dienst von Freiheit, Solidarität und Gemeinwohl stellen. Der Journalist Alexander Fanta von netzpolitik gibt auf der Tagung einen Input, wie neue Gesetze das Netz regulieren sollen. Dabei geht es auch um den Digital Services Act der Europäischen Union. Die Investigativ-Journalistin Elisa Harlan vom Bayerischen Rundfunk wird darüber sprechen, wie unfaire KI-Systeme aufgedeckt werden können. Und wir möchten auch wissen: Wie können dann Algorithmen und Künstliche Intelligenz dann zur Rechenschaft gezogen werden?

Worum wird es inhaltlich gehen - und wie können sich junge Menschen einbringen?

Das Line-up der Tagung ist interdisziplinär. Die Tagung vernetzt Akteur*innen unter anderem aus Politikjournalismus, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Eine Speakerin ist Magdalena Rogl von Microsoft Deutschland, die einen Input über Empathie und Emotionen in der Gesellschaft gibt. Sie ist für Diversity & Inclusion bei Microsoft zuständig. Ich bin gespannt, welche Beispiele sie vom Tech-Giganten Microsoft berichten wird und was sich daraus für Tech-Unternehmen zukünftig ableiten lässt. Bei dieser Tagung kooperiere ich mit einem Team aus Bachelor- und Master-Studierenden der Philosophy & Economics an der Uni Bayreuth, die dort auch die bayreuther dialoge organisiert haben.

Die Tagung ist diskurshaft konzipiert. Neben Inputs gibt es Diskussions- und Workshop-Formate um sich auszutauschen.  

Ein weiteres Thema auf der Tagung werden Fragen nach Vertrauenswürdigkeit und Vertrauen in der Programmierung von Künstlicher Intelligenz sein. Ist die KI gerecht und transparent? Werden rechtliche Rahmenbedingungen, etwa zu Datenschutz und Glaubwürdigkeit, als KI-Prinzipien eingehalten? Dazu wird Dr. Sophia Ding mit Praxisbeispielen aus Finanzsektor und öffentlicher Hand sprechen. Sie ist bei der AWK Group AG tätig und Co-Präsidentin der Swiss Digital Initiative.

Digitales Gemeinwohl

Mit dem Berater für Barrierefreiheit, Domingos de Oliveira, haben wir einen Speaker im Programm, der klare Forderungen hat: Barrierefreiheit braucht es überall, auch im Netz. Denn auf den ersten Blick klingt es einfach, zum Beispiel bald digital wählen zu können. Aber die Technik ist noch nicht für alle Menschen barrierefrei und verständlich. Es gibt immer mehr Online-Events und digitalisierte Prozesse. Aber wenn es hier zum Beispiel keinen technisierten Vorlesedienst gibt, können nicht alle Menschen teilhaben. De Oliveira skizziert mit Software-Entwicklerin Sophie Johanning auf der Tagung, dass "Technik als Tor zur Partizipation" nur funktioniert, wenn sie für alle zugänglich ist. Auch das ist eine Frage des digitalen Gemeinwohls.

Auch Quantentechnologien und ihre potenziellen gesellschaftlichen Auswirkungen sind Thema auf der Tagung. Hier erwarten wir die die Referentin Xenia Bogolomec, Gründerin des Startups Quant-X Security & Coding. Hierauf bin ich besonders gespannt.

Was bietet das Junge Forum sonst noch?

Auf der letzten Politikwerkstatt hatten wir etwa die jüngsten Bürgermeister Deutschlands eingeladen, wir haben in einem Theaterstück Abstimmungen in der Europäischen Union simuliert und Dr. Stefan Ullrich, ein Informatiker aus dem Bundesumweltministerium, zeigte, wie man das Tech-Wissen der Informatik einsetzen könnte, um Frieden zu schaffen – um nur ein paar Schlaglichter zu setzen. Die Politikwerkstatt ist eine jugendpolitische Tagungsreihe, die zwei Mal im Jahr im Jungen Forum stattfindet. Die Schüler*innen, Studierenden und Young Professionals diskutieren dabei aktuelle Themen von Kommunal- bis Außenpolitik, in Kooperation mit der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. Der Akademie-Slam ist darin auch ein beliebtes Format.

Mit dem Rapper und Ex-Bayerischen Meister im Poetry Slam, Philipp Potthast, bekommen die jungen Tagungsgäste ein Coaching im Schreiben eigener Poetry Slam-Texte. Die Premiere ist dann direkt auf der Akademie-Bühne. 

Neben weiteren Formaten ist die Tagung "Abitur – und dann?" der Klassiker im Jungen Forum. Seit gut 70 Jahren kommen Abiturient*innen für ein Wochenende in die Akademie, um über ihren Weg nach dem Abitur nachzudenken. Das Format bietet Zeit, Muse und Gespräche mit Expert*innen aus der Studienberatung. Außerdem stellen zehn Studierende ihre Studiengänge und Studienorte vor. Auf der Abi-Tagung im März 2023 erwarten wir unter anderem die Referentin Marion Zeßner, Geschäftsführerin von FemTec. Sie stellt diese internationale Karriereplattform für Frauen* in IT, Ingenieur- und Naturwissenschaften vor.  

 

Digitalethik & junge politische Philosophie: Digitales Gemeinwohl

02. - 04. Dezember 2022

Hier geht es zur Anmeldung zur Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing.

 

Julia Wunderlich

Julia Wunderlich studierte Diplom-Psychologie mit den Schwerpunkten Kinder- und Jugendpsychologie. Seit April 2016 ist sie Studienleiterin für das Junge Forum  an der Evangelischen Akademie Tutzing.