Die Kirchen dringen nach dem Brand im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos auf eine europäische Lösung für die Verteilung der Schutzsuchenden auf aufnahmebereite Länder.

Die leitenden Geistlichen der 20 Mitgliedskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) riefen in einer an die deutsche Ratspräsidentschaft und den Bundesinnenminister gerichteten Erklärung dazu auf, die Angebote von deutschen Bundesländern und Kommunen anzunehmen, Geflüchtete aus den griechischen Lagern aufzunehmen. Eine gemeinsame Erklärung der leitenden EKD-Geistlichen hatte es den Angaben zufolge zuletzt 2015 gegeben.

In der Nacht zum Mittwoch hatte ein Feuer große Teile des mit mehr als 12.000 Menschen völlig überfüllten Lagers auf Lesbos verwüstet. Wie die offenbar mehreren Brände entstanden, war zunächst unklar. Tausende Menschen brachten sich nach Informationen der Hilfsorganisation medico international vor den Flammen in Sicherheit und irren nun über die Insel. Berichte über Verletzte oder Tote lagen zunächst nicht vor.

Kardinal Woelki: "Dürfen die Augen nicht länger vor dem Leid unserer Mitmenschen verschließen."

Der Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, erklärte auf Twitter: "Wir dürfen die Augen nicht länger vor dem Leid unserer Mitmenschen verschließen. Ihnen jetzt zu helfen und sie aufzunehmen ist unsere Pflicht - und daran wird sich die Menschlichkeit Europas messen lassen müssen." Der Flüchtlingsbeauftragte des Bistums Münster, Helmut Flötotto, bezeichnete den Brand und die Gesamtsituation des Lagers Moria als "Versagen mit Ansage", das er der Bundesregierung und der EU anlastet.

 

 

Zu lange hätten die Verantwortlichen die Appelle von Zivilgesellschaft und Kirchen ignoriert. Die katholische Laienbewegung Sant'Egidio erklärte, wenn "Europa noch auf der Höhe seiner Traditionen von Zivilisation und Menschlichkeit sein will, muss es sich in einem Akt von kollektiver Verantwortung um dieses Problem kümmern."

Der katholische Flüchtlingsbischof Stefan Heße sagte: "In die Betroffenheit über das Elend der Schutzsuchenden mischt sich die Bestürzung über das politische Versagen." Auch Heße, Sonderbeauftragter für Flüchtlingsfragen der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, sprach von einer "Katastrophe mit Ansage".

EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Stroh: Es müsse endlich gehandelt werden

Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm erklärte: "Mit diesem Appell wollen wir an die auf erschreckende Weise deutlich gewordene Dringlichkeit erinnern, den Geflüchteten, die in den Lagern unter menschenunwürdigen Bedingungen leben, sofort und dauerhaft zu helfen." In ihrem Appell mahnen die Leitenden Geistlichen der evangelischen Landeskirchen, sie seien "erschüttert über das Leid, das erneut über die schutzsuchenden Menschen gekommen ist, und entsetzt, dass es der Europäischen Union trotz vielfacher Warnungen nicht gelungen ist, diese Eskalation der menschenunwürdigen Situation in dem Lager zu verhindern". Es müsse endlich gehandelt werden.

Der evangelische Migrationsexperte Manfred Rekowski forderte, nach dem Brand in Moria ein Zeichen für eine europäische Aufnahme Geflüchteter zu setzen. Ein abgestimmtes europäisches Handeln bei der Aufnahme von Geflüchteten sei "dringend notwendig, ja überfällig", sagte der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland Sonntagsblatt.de.

Brand in Flüchtlingslager Moria: 40 Prozent der Bewohner sind Minderjährige

Die Flüchtlingspfarrer der westfälischen und lippischen Landeskirchen forderten eine sofortige Auflösung Morias. Die Menschen müssten sofort von Europa aufgenommen werden, erklärten Helge Hohmann und Dieter Bökemeier. "Das ursprünglich vorgesehene Kontingent für Deutschland ist dabei zu vervielfachen."

Auch die Gemeinschaft Sant'Egidio rief alle EU-Länder auf, unverzüglich die Flüchtlinge aufzunehmen, die beim Brand im Lager Moria alles verloren haben. Es seien Asylbewerber, die seit Monaten oder teilweise seit Jahren unter extrem prekären Umständen lebten. Insgesamt handele es sich um ungefähr 13.000 Menschen, überwiegend Familien, etwa 40 Prozent sind Minderjährige.

Heinrich Bedford-Strohm

Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern
Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern

Heinrich Bedford-Strohm ist seit 2011 Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) und war von 2014 bis 2021 Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Bedford-Strohm wurde 1960 in Memmingen geboren. Er studierte Theologie in Erlangen, Heidelberg und Berkeley (USA) und promovierte anschließend. Als Professor lehrte und lehrt er an verschiedenen Universitäten, u.a. in Gießen, Bamberg, New York (USA) und Stellenbosch (Südafrika). Sein Vikariat absolvierte er in einer Kirchengemeinde in Heddesheim, als Pfarrer war er in Coburg tätig.