Wie ein Leuchtturm sieht sie nicht gerade aus, die zwölf Quadratmeter große, ebenerdige Hütte hinter dem Nordtor zur Flüchtlingsunterkunft Bayernkaserne in München.
Doch die Seemannsmetaphorik passt, denn für tausende Geflüchtete war das "Lighthouse Welcome Center" von Innerer Mission und Lichterkette e.V. im Spätsommer 2015 ein sicherer Hafen, in dem sie Freundlichkeit und Kalorien tanken konnten, bevor sie auf ihrer Suche nach Asyl von den Behördenwogen weitergespült wurden.
Eröffnet wurde das Lighthouse schon im Dezember 2014. "Die Bayernkaserne war voll, und es war abzusehen, dass es noch voller werden würde", erinnert sich Elisabeth Ramzews, die den Sozialdienst für Flüchtlinge und Asylsuchende der Inneren Mission leitet. Dessen Mitarbeiter, seit 2010 im damaligen Ankunftszentrum Bayernkaserne tätig, waren komplett überlastet.
Und so beschloss das evangelische Sozialwerk gemeinsam mit dem Verein Lichterkette eine niedrigschwellige Anlaufstation auf dem Vorplatz der Bayernkaserne zu errichten.
"Wo geht's zur U-Bahn, wo kann ich einkaufen, wo sind wir hier überhaupt - für solche kleinen Infos braucht es keinen ausgebildeten Sozialpädagogen", sagt Ramzwes.
"Das Lighthouse war umringt von Menschen"
Also öffnete das gelb-weiße Häuschen im Winter 2014 zum ersten Mal seine Fensterfront, und von da an dank eines großen ehrenamtlichen Teams bald täglich zwischen 8 und 20 Uhr.
"Das Lighthouse war umringt von Menschen, manche wollten nur eine Auskunft, andere haben, wie beim Barmann, im Gespräch ihre Probleme abgeladen, und unser Zuckerverbrauch für den Tee war der Hammer, denn viele brauchten einfach Kalorien", erzählt Ramzews, und Ehrenamtskoordinatorin Andrea Raibold nickt.
So ging es bis Ende 2016, als das Ankunftszentrum verlagert und die Bayernkaserne zur Folgeeinrichtung wurde. Flugs änderte das Lighthouse Standort und Konzept: Am Nordtor der Bayernkaserne sind Ehrenamtliche seither nachmittags als Ansprechpartner für die rund 500 Bewohner der Flüchtlingsunterkunft vor Ort, es gibt Spielenachmittage, wöchentliche Ausflüge, Deutsch-Nachhilfe, Computer-Kurse, ein Frauencafé - je nach Bedarf.
Statt schneller Information sind Integration und Beziehungsarbeit das Ziel.
Manches Angebot fällt aufgrund der Corona-Beschränkungen weg, und auch das Lighthouse-Mobil, ein umgebauter italienischer Dreirad-Roller, steht seither still. „Unser Mobil kam im Sommer 2019 total gut an, wir waren damit regelmäßig vor der Funkkaserne und alle zwei Wochen auf Straßenfesten“, sagt Andrea Raibold, die seit zwei Jahren die Ehrenamtlichen koordiniert. Die junge Frau schätzt die Möglichkeit, durch das Mobil direkt mit Menschen in Kontakt zu kommen, neue Ehrenamtliche zu werben und manche Klischees über Flüchtlinge auszudiskutieren.
Chaotisch, glanzvoll, wundersam: Die Hochphase des Lighthouse
Auch die Ehrenamtlichen und Praktikanten, die das Lighthouse am Laufen halten, scheint die Arbeit zu bereichern. „Ich habe noch nie in meinem Leben Menschen gesehen, die so freundlich und hilfsbereit sind, obwohl sie selbst in einer unfassbaren Situation sind“, schreibt Bundesfreiwilligendienstlerin Charlotte auf der Lighthouse-Website. Wie fleißig alle in der Schule seien, staunt Praktikant Jakob in seinem Eintrag. Und Nico berichtet, er habe sein Bewusstsein zur Flüchtlingsthematik in einer Schnupperwoche „deutlich verbessert“ und seither mit vielen Freunden darüber gesprochen.
Wenn Ramzews und Raibold von der Hochphase des Lighthouse berichten, klingt das zeitlos wie ein Märchen - chaotisch, glanzvoll, wundersam. Tatsächlich liegt alles nur fünf Jahre zurück. Vieles hat sich verändert seit 2015. „Damals waren die Geldbörsen offen, wir wurden durch nichts behindert“, staunt Elisabeth Ramzews. Heute wäre das, glaubt sie, schwieriger.
Bayernkaserne wird zum Wohnviertel umgebaut: Lighthouse zieht weiter
Und auch die Stimmung in der Gesellschaft habe sich grundlegend verändert. „Das war damals ein Wahnsinns-Hype, jeder wollte etwas mit Flüchtlingen machen“, sagt die Asylsozialberaterin. Heute empfindet sie die Gesellschaft als gespalten, die Stimmung als vergiftet und die Parolen der rechtsnationalen Parteien und Gruppen als „nicht auszuhalten“.
Nun zieht das weiß-gelbe Häuschen bald wieder weiter, denn die Bayernkaserne wird zum Wohnviertel umgebaut. „Wir bekommen einen Platz vor der Kurzaufnahmeeinrichtung in der Lotte-Branz-Straße, ganz nahe beim Ankunftszentrum, der Kälteschutz der Stadt zieht auch dorthin“, zählt Elisabeth Ramzews auf. Eine Mischung aus gerade angekommenen Flüchtlingen und Wanderarbeitern erwartet die Mitarbeiter dann am Lighthouse. „Back to the roots“, sagt Ramzews und man merkt, dass sie sich freut auf die neue Herausforderung. Auch ihre Kollegin Raibold, die das Lighthouse nur in seiner jetzigen Form kennt, ist gespannt - und hofft auf viele neue Ehrenamtliche. „Damit wir vielleicht wieder täglich öffnen können“, sagt sie.