Mit Blick auf die Fachkräftestrategie der Bundesregierung hat der Arbeitsmarktforscher Enzo Weber mehr Erleichterungen für gezielte Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten gefordert. "Ohne Zuwanderung würden wir bis 2030 rund fünf Millionen Arbeitskräfte durch den demografischen Wandel verlieren", sagte Weber der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Donnerstag). Zum Ausgleich bräuchte Deutschland ein Wanderungssaldo von 400.000 Menschen pro Jahr, also die Differenz zwischen Zu- und Abwanderung.

"Dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, ist rechnerisch am meisten durch die Migration aus Drittstaaten möglich", sagte der Wirtschaftswissenschaftler vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Innerhalb der EU sei das Potenzial bereits deutlich begrenzt, da die Bevölkerung in anderen EU-Ländern teils noch stärker altere als die deutsche Gesellschaft.

"Die größte Hürde bei der Zuwanderung ist bislang, dass ein anerkannter beruflicher Abschluss vorausgesetzt wird", sagte Weber weiter.

Die von der Bundesregierung geplante "Chancenkarte" solle nun auch weitere Fachkräfte ansprechen, die etwa über mindestens drei Jahre Berufserfahrung verfügen und unter 35 Jahren sind. "Das ist richtig, aber es reicht bei Weitem noch nicht aus", betonte Weber. Es müsse auch erleichtert werden, dass Menschen bereits mit einem Arbeitsvertrag nach Deutschland kommen können. "Und zwar auch dann, wenn sie nicht über einen anerkannten Abschluss verfügen."

Im Ausgleich dafür solle berufsbegleitend eine gezielte Weiterqualifikation und Sprachförderung angeboten werden, die zu einer beruflichen Entwicklung führen könne, schlägt der Arbeitsexperte vor. "Entscheidend ist, dass man die Menschen dann auch gut integriert und in Deutschland hält. Denn es ist wenig gewonnen, wenn viele zuwandern, aber viele auch wieder abwandern."

Als weitere Hebel im Kampf gegen den Fachkräftemangel nannte Weber den Abbau von Arbeitslosigkeit und eine bessere Beteiligung von älteren Menschen und Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt.

"Wenn man bis 2030 Vollbeschäftigung erreicht und somit die Arbeitslosigkeit halbiert, ließen sich dadurch etwa eine Million Beschäftigte gewinnen", erläuterte er. Eine längere Lebensarbeitszeit braucht nach Ansicht des Wirtschaftswissenschaftlers ein schlüssiges Konzept, welche Tätigkeiten ältere Beschäftige am besten übernehmen und wie sie in Richtung dieser Fähigkeiten entwickelt und qualifiziert werden können. "Kaum ein Dachdecker kann bis 67 arbeiten, das ist utopisch."