München (epd). Die bayerische evangelische Landeskirche hat die Ergebnisse des unabhängigen Missbrauchsgutachtens im katholischen Erzbistum München und Freising mit "großer Betroffenheit" aufgenommen. "Es ist der größtmögliche innere Widerspruch, wenn wir als Kirche von der Liebe Gottes sprechen und zugleich im Raum der Kirche durch sexualisierte Gewalt Seelen zutiefst verletzt und ganze Biographien zerstört werden", teilte Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm am Montag in einer persönlichen Stellungnahme mit.

"Auch in der Evangelischen Kirche beschäftigen und beschämen uns Fälle von sexualisierter Gewalt", sagte Bedford-Strohm, der bis 2021 auch Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) war. 166 Fälle seien bisher in Bayern bekannt. Als Kirche sei man aber nur glaubwürdig, wenn konkrete Schritte gegangen werden, "die sexualisierte Gewalt in der Kirche aufarbeiten und in Zukunft verhindern helfen", sagte Bedford-Strohm weiter.

So gebe es in der bayerischen Landeskirche seit 20 Jahren eine Ansprechstelle für Betroffene sexualisierter Gewalt, erläuterte der Bischof. Diese Stelle sei kontinuierlich ausgebaut worden und sei heute eine Fachstelle, in der 14 Menschen arbeiten. Diese kümmerten sich um Betroffene, um Prävention, Intervention und Aufarbeitung. Auch er selbst habe sich immer wieder mit Betroffenen getroffen. Ihre Erfahrungen und ihre Perspektive seien entscheidend wichtig, um Missbrauch fördernde Strukturen in der Kirche zu entlarven und ihnen entgegenzuwirken.

Seit 2015 gebe es zudem eine Kommission, die unabhängig und überwiegend mit externen Mitgliedern besetzt arbeitet und in rechtlich verjährten Fällen individuell bemessene finanzielle Leistungen zuspricht. "Selbstverständlich arbeiten wir ohne Einschränkung mit der Staatsanwaltschaft zusammen", sagte Bedford-Strohm. Kirche könne nicht Richterin in eigener Sache sein.

"Trotz der Bemühungen und Schritte, die wir bisher gegangen sind, müssen auch wir davon ausgehen, dass nicht in allen Fällen mit letzter Konsequenz gehandelt wurde", bedauerte der Landesbischof. "Diese Einsicht ist schmerzhaft, aber es ist notwendig, sich ihr zu stellen und Konsequenzen daraus zu ziehen." Bedford-Strohm rief in seiner Stellungnahme Betroffene von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche dazu auf, sich zu melden.

Die unabhängigen Gutachter der Münchner Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl hatten vergangenen Woche ihr Gutachten über sexuellen Missbrauch im katholischen Erzbistum München in den Jahren 1945 bis 2019 vorgestellt. Dabei fanden sie Hinweise auf mindestens 497 Betroffene und 235 Täte. Dem emeritierten Papst Benedikt XVI. und früheren Münchner Erzbischof (1977-1982) werden Verfehlungen in vier Fällen vorgeworfen.