Im westafrikanischen Burkina Faso fruchteten die Corona-Schutzmaßnahmen der Regierung nur begrenzt. "Die Menschen hatten kein Geld für Masken und musste schnell wieder für ihren Lebensunterhalt sorgen", sagt Martin Aufmuth. Er gründete 2012 den Verein EinDollarBrille und hat sich der Idee einer augenoptischen Grundversorgung mit Brillen für alle betroffenen Menschen verschrieben.

Dafür hat er ein einfaches Verfahren entwickelt, praktisch mit einem Baukastensystem und geübten Handgriffen - ohne Strom - eine Brille zu fertigen. Der Rahmen besteht aus einem flexiblem Federstahldraht, die vorgeschliffenen Kunststoffgläser lassen sich per Klick einsetzen.

Die flexiblen Brillen sind Lebensretter 

Aufmuth ist sich sicher: "Einige Menschen haben durch unsere Brille überlebt." Er denkt dabei etwa an Bauern, die fast blind ihre Feldarbeit erledigten. Bei einem von ihnen stellte das Team von EinDollarBrille bei einem Sehtest minus neun Dioptrien fest. Für andere erhöht sich einfach die Lebensqualität, weil sie entweder wieder lesen und schreiben können oder erstmals ihr Dorf oder die Blätter an den Bäumen sehen können.

Mittlerweile hat der Verein trotz der Corona-Delle bereits über 300.000 Männer, Frauen und Kinder mit Brillen versorgt. Aufmuth und seine Mannschaft kämpfen gerade bei der ländlichen Bevölkerung gegen Unwissenheit oder Aberglauben. In Burkina Faso kenne die traditionelle Sprache überhaupt kein Wort für Brille. Viele Menschen hätten überhaupt noch nie von einer Brille gehört. Andere glaubten, eine Brille werde wie ein Gips wenige Wochen getragen, bis die Sehkraft wieder hergestellt ist. Geradezu gefährlich ist für Aufmuth mancher Dorfheiler, der mit Hühnermist Augenheilkranken behandele.

Die "EinDollarBrille" geht in die ländlichen Regionen

Der Verein kämpft aber auch an anderen Fronten. In manchen Ländern reagieren etwa die Augenärzte skeptisch und fürchten, um ihr Geschäft. Dabei geht die EinDollarBrille nicht in die Städte, sondern aufs Land. Die Logik ist für Aufmuth ganz klar:

"Je weiter draußen wir von den Städten sind, umso größer - aber auch aufwändiger - ist unsere Wirkung."

Mal steckt auch die Tücke in juristischen Details. Im nächsten Jahr will die EinDollarBrille nach jahrelanger Vorarbeit neu in Kolumbien starten. Der Minibus für die Mitarbeiter muss dabei exakt die speziellen Vorgaben für Fahrzeuge im Gesundheitsbereich erfüllen. Auch eine auf ein Jahr verkürzte Ausbildung passt nicht mit manchen Gesundheitsgesetzen zusammen, weil zum Beispiel der Sehtest allein Augenärzten vorbehalten ist.

Manchen Eltern verstehen nicht, wieso ihr Kind eine Brille braucht 

Doch Aufmuth hat gelernt, dass es nur in kleinen Schritten weitergeht. Für ihn geht es bei der Entwicklungszusammenarbeit vor allem erst einmal "um das Zuhören". In solchen Gesprächen erfahre man sofort, woran etwas hapert oder wie man etwas besser machen kann. Dazu zählt beispielsweise auch der Aspekt, dass nach einem Sehtest sofort die passende Brille gefertigt wird. "Manche sind tagelang zu unserem Augencamp unterwegs, die würden kaum nach ein paar Wochen noch einmal kommen", weiß der Erlanger aus der Praxis.

Die Brillen verkauft der Verein prinzipiell für zwei bis drei ortsübliche Tageslöhne. Das erhöht die Wertschätzung und führt auch dazu, dass mancher Mensch nach zwei Jahren seine kaputte Brille reklamiert. Das passiert allerdings selten, denn selbst ein Auto auf einer Schotterpiste könne das robuste Gestell mit kratzfesten Gläsern ohne Schaden überrollen. Kinder bekommen die Brillen kostenlos, denn manche Eltern verstehen nicht, warum sie dafür Geld ausgeben sollen.

70 Mitarbeiter in Burkina Faso

Der Verkauf leistet aber auch eine Hilfe zur Selbsthilfe. Über 200 Arbeitsplätze hat der Verein im Laufe der Jahre geschaffen. In Burkina Faso ist die EinDollarBrille mit 70 Mitarbeitern einer der großen Arbeitgeber des Landes. "Die Bedeutung wird noch deutlicher, wenn man berücksichtigt, dass von unseren Leuten ganze Familien abhängen," sagt Almuth. Für den Verein arbeiteten beispielsweise aber auch ein Blinder oder mehrere Gehbehinderte. Die seien nicht nur besonders stolz, dass sie sich selbst versorgen können - "alles andere als eine Selbstverständlichkeit". Es gebe ihnen auch neues Selbstbewusstsein, anderen Menschen mit ihrer Arbeit zu helfen.