Mit einem Appell von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu mehr Dialog zwischen den Religionen ist am Dienstag online die interreligiöse Tagung "Frauen, Glaube und Diplomatie" eröffnet worden.

"Wir dürfen Extremisten keinen Raum lassen, die in ihrer menschenverachtenden Verblendung Religion dazu missbrauchen, Zwietracht zu säen und unser friedliches Zusammenleben zu untergraben", sagte Merkel in ihrer Videobotschaft: "Wie wichtig dies ist, zeigen auch die abscheulichen Geschehnisse in Dresden, Frankreich und in Wien im Herbst dieses Jahres."

Eine interreligiöse Versammlung

Merkel eröffnete mit ihrem digitalen Grußwort die interreligiöse "1st Assembly on Women, Faith & Diplomacy". Vertreterinnen und Vertreter von Hinduismus, Buddhismus, Judentum, Christentum, Islam und anderer Religionen wollen sich vier Tage lang auf einer virtuellen Plattform über neue Formen der Politikgestaltung austauschen. Die Online-Tagung wird von der nach eigenen Angaben größten interreligiösen Nichtregierungsorganisation, "Religions for Peace", veranstaltet und von Lindau am Bodensee aus geleitet.

Dass sich die Versammlung in diesem Jahr der Rolle von Frauen in Religionen und Friedensprozessen widme, könne sie nur begrüßen, so Merkel: "Denn allzu oft wird darüber hinweggesehen, was Frauen für ein friedliches Miteinander bewegen - im Kleinen wie im Großen."

Frieden sei nur dann nachhaltig, wenn Frauen am Friedensprozess beteiligt seien. Was viele Studien belegten, finde allerdings in der Alltagspraxis noch wenig Entsprechung, räumte Merkel ein. Umso wichtiger sei es, "Teilhabe-Gerechtigkeit mit mehr Leben zu füllen", betonte die Bundeskanzlerin.

Strukturelle Diskriminierung von Frauen weltweit

Anlässlich der virtuellen Versammlung des globalen Netzwerks "Religions for Peace" beklagten die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt und Konstantin von Notz (Grüne) in Berlin eine weltweit strukturelle Diskriminierung von Frauen. Es gebe keinen Bereich, der vom Thema Gleichberechtigung ausgenommen werden darf.

Doch noch immer werde es Frauen erschwert oder gar verhindert, dass sie ihre Religion, Politik oder Wirtschaft selbstbestimmt und gleichberechtigt mitgestalten.

Die Ausgrenzung von Frauen von wichtigen Ämtern und Funktionen bedeute zugleich, dass große Potenziale in der Friedensarbeit, der Diplomatie und der interreligiösen Zusammenarbeit verschenkt werden.

Inhaltlich geht es erstmals speziell um die friedensstiftende Rolle von gläubigen Frauen: "In Friedensprozessen sollten die Fähigkeiten von Frauen häufiger genutzt werden", sagte die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, zum Auftakt. Käßmann ist Mitglied im Rat (Council) von "Religions for Peace".

Die Teilnehmer

An der viertägigen Konferenz beteiligen sich laut Veranstaltern mehr als 600 Teilnehmende aus mehr als 60 Ländern. Sie wollen "den interreligiösen Dialog auch in schwierigen Zeiten" fördern.

Gerade in der weltweiten Corona-Krise zeige sich, dass Führungsqualitäten auf Grundlage von Glauben neu definiert werden müssten, sagte die Generalsekretärin von "Religions for Peace", Azza Karam. Entscheidend sei die Kombination von Führen und Dienen, sagte Wolfgang Schürer, Vorsitzender der die Tagung mittragenden Stiftung Friedensdialog der Weltreligionen und Zivilgesellschaft.

Diese Kombination werde in von Männern dominierten Gesellschaften meist als Paradox wahrgenommen. Doch die Konferenz wolle sich nicht auf Polarität konzentrieren, "sondern nach Ergänzendem in der Menschheit suchen, nach dem Gemeinwohl".

Gesteuert wird die Versammlung unter strengen Corona-Regeln durch ein Kernteam in der Inselhalle in Lindau. Begleitet wird die Versammlung den Angaben zufolge vom Auswärtigen Amt. Im Sommer 2019 hatte bereits die 10. Weltversammlung von "Religions for Peace" in Lindau getagt. Mehr als 900 religiöse Repräsentanten hatten mehrere Tage am Bodensee über aktuelle Konflikte, den Klimaschutz, Frieden und Frauenrechte beraten. Die Weltversammlung fand 2019 erstmals in Deutschland statt, sie tritt etwa alle fünf Jahre zusammen.