"Statt längerer Haftstrafen brauchen wir mehr Möglichkeiten, Täter gut zu diagnostizieren und früh Prognosen über ihre Rückfallwahrscheinlichkeit zu erstellen", sagte der Forensiker im Gespräch mit dem Sonntagsblatt.

Nach dem jüngsten Fall von schwerem Kindsmissbrauch in Münster waren Rufe nach schärferen Strafen laut geworden.

Fälle von Kindesmissbrauch

Sowohl der Fall in Münster als auch der Fall des pädokriminellen Netzwerks von Bergisch-Gladbach mit geschätzt 30.000 Online-Nutzern gingen weit über das bisher bekannte Maß hinaus. Feil betonte, dass sich Kindesmissbrauch, der 60 Prozent aller Sexualstraftaten ausmacht, in den meisten Fällen im persönlichen Nahbereich ereigne.

Im Falle von Online-Netzwerken zeige sich eine völlig andere Dimension, Motivationslage und Tragik: "Die Täter hier sind meist die eigenen Eltern, die ihre Kinder missbrauchen, die Tat auf Video aufzeichnen und das Bildmaterial verkaufen."

Tatmotive

Die Tatmotivation sei dabei "die eigene, kalte Selbsterhöhung, das Verfügenkönnen über Schwächere, oft gepaart mit abweichenden Sexualpräferenzen und einer Gewaltproblematik".

Die Konsumenten solcher Videos suchten wiederum "wie Süchtige" einen immer stärkeren sexuellen Kick in pornographischem Bildmaterial.

"Sie blenden vollkommen aus, dass das, was sie sich anschauen, ganz reale sexuelle Gewalthandlungen abbildet, unter denen irgendwo auf dieser Welt ein Kind - meist wiederholt - leiden muss", erklärte der Psychoanalytiker.

Fachambulanz für strafentlassene Sexual- und Gewalttäter

Mit seinem Team von 20 Sozialpädagogen und Psychologen betreut Feil seit 2008 unter Trägerschaft des Evangelischen Hilfswerks strafentlassene Sexual- und Gewalttäter, die eine gerichtliche Auflage zur Therapie bekommen haben.

Wer in die Psychotherapeutische Fachambulanz komme, habe am Anfang meistens kein Problem mit sich und erschrecke nicht über seine Taten.

"Das versuchen wir zu ändern", sagt der Psychologe.

Im Idealfall blieben Probanden freiwillig länger als vorgeschrieben. Bei manchen sei eine lebenslange Begleitung nötig, um eine Wiederholungstat zu vermeiden. Durch die Arbeit der Fachstelle werde die Rückfallquote bei Sexualstraftätern von 39 auf 14 Prozent gesenkt.

Heute gebe es in Bayern fünf und bundesweit über 50 solcher Stellen, dennoch sei "noch viel mehr möglich und nötig". Auch sei die Forensik in der Fachwelt zu isoliert, "viele schauen auf uns herab", so Feil.

Das spiegele sich in der Gesellschaft, die häufig unterstelle, dass Therapie für Sexualstraftäter "die Falschen" schütze. "Tatsächlich aber schützen wir mit unserer Arbeit die Freiheit und Sicherheit aller", sagte der Psychotherapeut.