Krankenkassen sollen künftig Gen-Tests bei Schwangeren auf eine mögliche Trisomie des ungeborenen Kindes bezahlen - in begründeten Einzelfällen und nach ärztlicher Beratung. Der Gemeinsame Bundesausschuss im Gesundheitswesen begründete in September 2019 in Berlin seine Entscheidung mit der hohen Güte der Tests und den Risiken der Alternativen.
Der rheinische Präses Manfred Rekowski forderte für die werdenden Eltern eine Beratung, in der Lebenschancen und der Lebenswert von Kindern mit Behinderung sichtbar würden.
Voraussetzung für die Aufnahme in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen soll eine Versicherteninformation sein, über die allerdings erst Ende 2020 entschieden werden soll. Bis dahin seien "keineswegs endgültige Fakten" geschaffen, erklärte der Vorsitzende des Bundesausschusses, Josef Hecken mit Blick auf die zum Teil erregte gesellschaftliche Debatte.
Der Test erkennt am Blut der Schwangeren mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit, ob das Kind eine bestimmte Form der Trisomie, etwa das Down-Syndrom hat. Bis zur Zulassung der Tests im Jahr 2012 war das nur über eine Fruchtwasser- oder Plazentauntersuchung möglich, die jeweils ein hohes Risiko für Fehlgeburten bergen. Diese sogenannten invasiven Untersuchungen werden von der Kasse bezahlt, der risikoarme, nicht-invasive Bluttest hingegen bislang nicht.
Drei Jahre beriet der Bundesausschuss, ob sich das ändern soll. Wegen der ethischen Dimension forderte er die Politik geradezu auf, sich einzumischen. Zuletzt lief ein sechsmonatiges Stellungnahmeverfahren.
Vor allem Behindertenverbände sind gegen den Test als Kassenleistung, weil sie die Gefahr sehen, dass er zur Regel wird und kaum noch Kinder mit Behinderungen zur Welt kommen.
Der Bundesausschuss versucht es mit der Abwägung. Ziel sei es, die zur Klärung einer möglichen Trisomie erforderlichen invasiven Untersuchungen und das damit verbundene Risiko einer Fehlgeburt nach Möglichkeit zu vermeiden, teilte er nach dem Beschluss mit. Der Test solle aber nur bei Risikoschwangerschaften von der Kasse bezahlt werden und müsse mit intensiver Beratung und Aufklärung verbunden sein, hieß es weiter. Dadurch sei geregelt, dass er nicht als ethisch unvertretbares "Screening" eingesetzt werde, betonte Hecken.
In einem am Donnerstag ebenfalls veröffentlichten Brief an Bundestagsabgeordnete, die gegen den Test als Kassenleistung sind und ein Moratorium für die Entscheidung forderten, weist Hecken darauf hin, dass die erforderliche Versicherteninformation erst im vierten Quartal 2020 beschlossen werden soll. Der Beschluss des Bundesausschusses schaffe keine irreversiblen Fakten und halte dem Bundestag "alle Handlungsoptionen" offen, schreibt Hecken. Zudem könne der Gesetzgeber Richtlinienbeschlüsse seines Gremiums aufheben oder ändern.
Präses Rekowski würdigte die Tatsache, dass der Bluttest im Gegensatz zu einer Fruchtwasseruntersuchung das Risiko einer Fehlgeburt vermeidet.
Ganz dicht hinter diesem Vorteil beginne jedoch der Konflikt: In mehr als 90 Prozent der Fälle führten die Diagnose Down-Syndrom und die anschließende ärztliche Beratung zum Abbruch der Schwangerschaft, sagte der leitende Theologe der Evangelischen Kirche im Rheinland. Die Entscheidung der Eltern, ein behindertes Kind zu bekommen, hänge auch davon ab, wie gut Familien unterstützt würden.
Ebenbild Gottes seien auch Menschen mit Trisomie 21 oder einer anderen Behinderung, betonte der Theologe. "Behinderung ist kein teurer, lästiger Betriebsunfall, den es zu vermeiden gilt." Behinderte Menschen gehörten in diese Welt, sagte Rekowski. Das müssten Ärzte immer wieder sagen und leben.