Mit dem Schwäbischen Bund blies ein regionales Verteidigungs- und Friedensbündnis im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation zum Angriff gegen die Bauernhaufen vom Bodensee über das Allgäu bis ins heutige Franken.

Wenn die baden-württembergische Landesausstellung "UFFRUR!" ins Kloster Schussenried nach Oberschwaben einlädt, besucht man einen süddeutschen Hotspot, dessen Protagonisten wie Georg III. Truchseß von Waldburg-Zeil als Anführer des Schwäbischen Bundes auch noch bis ins heutige Franken relevant sind. Das Landesmuseum Baden-Württemberg lässt hierbei Künstliche Intelligenz über 150 Originalexponate in Szene setzen. Und zeigt mit echten Menschenknochen die ganze Brutalität der Auseinandersetzungen.

Götz von Berlichingen, Protagonist von Goethes gleichnamigen Drama und deutscher Reichsritter, der als Hauptmann des Hellen Christlichen Haufens unter anderem die Festung des Würzburger Bischofs belagerte, hat wegen seiner metallenen Handprothese auch den Beinamen "Mann mit der eisernen Hand". Unter anderem mit dieser Anweisung – in der KI-Sprache einem Prompt – fütterten die IT-Fachleute ihre KI, um den Götz für die Ausstellung zum Leben zu erwecken. Überlebensgroß erscheint er nun auf der Leinwand, mit einem Arm, der eher an den Terminator erinnert.

Weißenauer Chronik
Selten gezeigt wird die sogenannte "Weißenauer Chronik", in der Abt Jakob Murer das Geschehen rund um das Kloster Weißenau bei Ravensburg in elf detailreichen Federzeichnungen verewigt hat.

Eine Laune der KI, die Marco Veronesi, neben Ingrid-Sibylle Hoffmann einer der beiden Kuratoren der Schau für die Gestaltung der acht Charaktere aber gerne in Kauf geht nimmt. "Wir möchten sie erzählen lassen, um Emotionen in die Ausstellung zu bringen", sagt er. Bei der KI-Version von Magdalena Scherer, einer historisch belegten Stuttgarterin, die durch provokante Aktionen gegen den Schwäbischen Bund auffiel, war es gar nicht so leicht, eine Frauengestalt zu erschaffen, die nicht wie eine moderne Influencerin aussieht.

"Wir mussten erst Stichworte wie fett, jung und hässlich eingeben", erklärt Hoffmann. Herausgekommen ist dagegen immer noch eine hübsche Frau – wenngleich nicht ganz so künstlich perfekt, wie man sie bei Heidi Klums Model-Parade erwarten könnte.

KI-generierte Ausstellungsführer sind die Hingucker der Schau auf der einen Seite – auf der anderen erwarten die Besucherinnen und Besucher auf 900 Quadratmetern originale Flugschriften des Bauernkrieges, darunter selbstverständlich die Memminger "12 Artikel" (sogar in englischer Übersetzung aus dem Jahr 1525) oder eine Ausgabe des frühen reformatorischen "Karsthans", daneben einschlägige Schriften von Martin Luther oder Philipp Melanchthon, Waffen wie die Hakenbüchse sowie künstlerische Auseinandersetzungen mit den Bauern von Albrecht Dürer bis Hans Holbein d.Ä. Selten gezeigt wird die sogenannte "Weißenauer Chronik", in der Abt Jakob Murer das Geschehen rund um das Kloster Weißenau bei Ravensburg in elf detailreichen Federzeichnungen verewigt hat.

menschliche Überreste aus einem Massengrab des Bauernkriegs
Mit der Ausstellung menschlicher Überreste aus einem Massengrab des Bauernkriegs nach der Schlacht 1525 bei Leipheim wollen die Kuratoren eindrücklich zeigen, wie die damals Getöteten ihr Leben verloren haben.

Mit der Ausstellung menschlicher Überreste aus einem Massengrab des Bauernkriegs nach der Schlacht 1525 bei Leipheim wollen die Kuratoren eindrücklich zeigen, wie die damals Getöteten ihr Leben verloren haben. Die 1994 gefundenen Schädel und Knochen zeigen eindeutige Gewalteinwirkung.

Für Marco Veronesi einerseits ein Beitrag, der stets unter ethischen Gesichtspunkten hinterfragt werden muss, andererseits sich aber mit der offenen Präsentation von Skeletteilen wie in Gebeine-Häusern im 16. Jahrhundert mit der christlichen Vorstellung eines respektvollen Umgangs mit Leichenteilen deckt. Ingrid-Sibylle Hoffmann ergänzt, dass die Schriftquellen des Bauernkrieges ausschließlich aus den Händen der Sieger stammen. Unbestreitbare Zeugnisse der erlittenen Gewalt böten nun die Überreste der Körper.

Kloster Schussenried als Spielort ist im Übrigen auch im weiteren Sinne ein Originalschauplatz des Bauernkriegs – es wurde am 29. März 1525 von einem Bauernhaufen geplündert und verwüstet und erst im Anschluss wieder neu aufgebaut.

Christoph Wegele, Kastellan der Waldburg
Christoph Wegele, Kastellan der Waldburg, vor dem Diorama einer Schlacht, die es nie gegegen hat, die aber stellvertretend für die Auseinandersetzungen steht.

Wo der "Bauernjörg" seine Ursprünge hat

Ein anderer Originalschauplatz im Allgäu, der zumindest den Namen des prominentesten Führers des Schwäbischen Bundes führt, ist Schloss Waldburg, etwa 40 Kilometer südlich gelegen. Ob Georg III. Truchseß von Waldburg-Zeil hier jemals auch persönlich anwesend war, darüber schweigen sich die Quellen aus. Christoph Wegele, Kastellan der Waldburg, muss aber bei jeder Führung vom als "Bauernjörg" bekannten Heerführer und Diplomaten erzählen, der aufgrund seiner kompromisslosen Härte bei der Niederschlagung der Aufstände, insbesondere bei der Schlacht von Böblingen am 12. Mai 1525, in die Geschichte eingegangen ist.

Der Schwäbische Bund, das sei damals eine Art Mini-NATO Süddeutschlands gewesen – rund 50 Adelige, die sich als Verteidigungsbündnis gegen die Bauern zusammengeschlossen hatten. Mitglieder waren unter anderem Reichsstädte wie Ulm, Augsburg und Nürnberg, daneben Fürsten, Grafen und Herzöge wie der Herzog von Bayern oder der Markgraf von Baden.

An der Spitze dieser Armee saß mit dem Truchseß Georg der Hauptmann, der mit rund 8000 Mann knappe 200.000 Bauern "zur Vernunft bringen" sollte. Nach einem knappen halben Jahr stand Georg als klarer Sieger da. Warum? "Was die Bauern nicht hatten, war ein Oberbefehlshaber über die ganzen Haufen. Und das rächte sich", erklärt der Kastellan der Waldburg, der hier seit rund 20 Jahren in verschiedenen Funktionen tätig ist und zusammen mit einem Team das noch in Familienbesitz befindliche Schloss durch pädagogische Angebote für Kinder bis hin zum Ritteressen bewirtschaftet.

Hier räumt Wegele auch gerne mit einigen Klischees rund um den Bauernkrieg auf, die seit Generationen in den Köpfen sind. Zum Beispiel, was die Bewaffnung angeht. Mistgabeln und Dreschflegel seien nicht die hauptsächlichen Verteidigungselemente gewesen – was im Übrigen auch in den Darstellungen von Murers "Weißenauer Chronik" zu sehen ist. Viele Bauern hätten ihre Söhne als Landsknechte beim ihren Lehnsherren ausbilden lassen und sie somit entsprechend ausgestattet. Nicht zuletzt seien Waffen auch auf dem freien Handelsmarkt verfügbar gewesen.

Geschickte Verhandlungen

Im Jubiläumsjahr des Bauernkrieges steht Christoph Wegele vor einem Diorama einer Schlacht, die es nie gegeben hat, die aber trotzdem in Form von gegnerischen Truppen angedeutet wird: Am 17. April 1525 wurde im nahen Weingarten die sogenannte "Weingartner Vereinbarung" geschlossen – ein Friedensschluss zwischen dem Heer des Schwäbischen Bundes und den Bauernheeren, den der "Bauernjörg" verhandelt hatte. Die Bauern kapitulierten weitgehend kampflos und wurden im Gegenzug von harten Strafen verschont. Außerdem wurde zugesagt, dass man die Beschwerden der Bauern etwa zu Leibeigenschaft, Frondiensten und Abgaben in geordneten Verfahren prüfen und teilweise berücksichtigen wollte. "Sie mussten ihre Armee auflösen, zurück auf ihre Felder und die ausgefallenen Dienste und Pflichten nachholen.

Dieser Frieden war jedoch nur von kurzer Dauer – in anderen Regionen des Reiches eskalierte der Bauernkrieg weiter, und viele Aufstände wurden blutig niedergeschlagen. Christoph Wegele weiß, warum: "Georg handelte hier entgegen seiner Befehle. Die meisten Mitglieder des Schwäbischen Bundes wollten die bedingungslose Unterwerfung der Bauern." Der Bauernkrieg endete, weil die Bauern keine Chance gegen die Machtmittel der Fürsten hatten – und nach einigen verheerenden Niederlagen wurde der Aufstand gnadenlos niedergeschlagen.

Museumsleiterin Tanja Kreutzer
Museumsleiterin Tanja Kreutzer vom Bauernhaus-Museum Allgäu-Oberschwaben Wolfegg.

Geschichte vermitteln aus der Graswurzelperspektive heraus

Vor 500 Jahren waren die heutigen Regionen Oberschwaben und Allgäu noch Teil eines herrschaftlichen Flickenteppichs, als nahe des heutigen Bauernhaus-Museums in Wolfegg Weltgeschichte geschrieben wurde: In Weißenau, Weingarten, Wurzach, Leutkirch oder Kißlegg erhoben sich 1525 die Bauern gegen ihre Herren, forderten neben wirtschaftlichen Erleichterungen auch soziale Reformen und besetzten Klöster und Burgen. Die Sonderausstellung "1525 – Bauernkrieg in Oberschwaben" erinnert bis zum 11. November 2026 an die Ereignisse in dieser Region.

Das Bauernhaus-Museum Allgäu-Oberschwaben Wolfegg ist ein 1978 eröffnetes Freilichtmuseum des Landkreises Ravensburg (Baden-Württemberg), das auf über 15 Hektar Fläche historische Gebäude zeigt, die das Leben und Arbeiten vergangener Zeiten veranschaulichen. Ausstellungsort ist die historische Zehntscheuer des Klosters Weißenau – eine Zeitzeugin, die in der Chronik der Ereignisse von Abt Murer abgebildet ist und die an neuem Ort des Freilandmuseums wieder aufgebaut wurde. Die Scheune, die einst der Abgabe des Kirchenzehnts diente, spielt eine wichtige Rolle in den dramatischen Ereignissen des Bauernkriegs, wurde sie doch ebenso wie das Kloster Weißenau­ geplündert und besetzt.

"Wir haben versucht, die Graswurzelperspektive einzunehmen, was nicht so einfach ist, weil es wenige schriftliche oder anderweitige visuelle Zeugnisse von Seiten der Bauern gibt", erklärt Museumsleiterin Tanja Kreutzer. Dieser Situation bewusst, habe man dennoch versucht, mithilfe von Schauwänden, Hörstationen sowie einiger Nachbauten sowie Originale von Werkzeugen oder Waffen das Bild des Bauern von außen anhand der Schrift- und Bildquellen heraus zu destillieren.

Die Ausstellung ist in vier Kapitel gegliedert. Anhand konkreter Personen aus der Region werden die die Bedingungen der Leibeigenschaft und des Lehenswesens, die Organisation in den Dörfern und Gemeinden sowie die bäuerlichen Besitz- und Lebensverhältnisse zum Beginn der Frühen Neuzeit erklärt. Thematisiert werden die zunehmende herrschaftliche Willkür und der Einfluss der Reformation sowie das Vorbild der Schweizer Eidgenossenschaft für die aufständischen Bauern. Von der Gründung der Christlichen Vereinigung und den "Zwölf Artikeln" über den Heereszug des Schwäbischen Bunds bis zum Weingartner Vertrag und seinen Folgen vollzieht wird die Entwicklung des Bauernkriegs deutlich. Ergänzt wird die Schau durch archäologische Funde der Auseinandersetzungen aus dem Bad Waldseer Stadtsee.

In fiktiven Texten kommen authentische Personen zu Wort: die Lehensbäuerin des Klosters Weißenau, Anna Dannerin, der Hauptmann der "Freien auf Leutkircher Heide" Michel Heus von Haselburg, einer der Räte des Kißlegger Haufens Hans Knüttel, Pfarrer Florian Greisel, der Anführer des Unterallgäuer Haufens in der Schlacht bei Wurzach und Hans Würth, ein Unterzeichner des Weingartner Vertrags sind nur einige der Protagonisten dieser Erzählung. Teilweise bringen die Hörtexte historische Schriftquellen zum Sprechen, wie beispielsweise die achtzehn Artikel des Beschwerdebriefs der Kißlegger Bauern an ihren Herrn Wolf von Schellenberg – quasi ein Vorläufer der "Memminger Artikel" –  oder einen Brief des Truchsess Georg III. von Waldburg an seine Lehensbauern.

Nicht in der "historischen Wissenschaft stecken bleiben"

Auch die Museumsgäste bezieht die Ausstellung aktiv mit ein. Das beginnt schon, wenn man die Treppen hinauf in den Schauraum erklimmt und man mit Fragen wie dem eigenen Freiheitsbegriff konfrontiert wird. "Im Idealfall ist es so, dass unsere Gäste beim Hochgehen sich die Frage stellen, vielleicht eine Antwort formulieren und beim Runtergehen eine andere Antwort haben", meint Kreutzer. Man wolle "nicht in der historischen Wissenschaft stecken bleiben", sondern die Besucher mitnehmen. Im umfangreichen Begleitprogramm finden sich daher auch Angebote für Schulklassen, und zwar schon ab der fünften Jahrgangsstufe.

Anhand von Karten kann man nicht nur den Verlauf des Bauernkriegs im gesamten Heiligen Römischen Reich nachvollziehen, sondern auch entdecken, zu welcher Herrschaft der eigene  Heimatort vor 500 Jahren gehörte und wie die Besitzverhältnisse der Lehensbauern des Klosters Weingarten um 1525 aussahen.

Breiten Raum nehmen Darstellungen der tief religiösen Gesellschaft des Spätmittelalters und die Rolle der Kirche ein. Diese wird in marodem Zustand gezeigt, da im geistlichen Stand Geldgier, Prunksucht und eine unchristliche Lebensweise weit verbreitet seien. Neben Martin Luther wird in Wolfegg auch auf Ulrich Zwingli verwiesen, dessen Lehren nicht nur auf eine Reformation der Kirche zielten, sondern auch über gesellschaftspolitische Sprengkraft verfügten, da seiner Meinung nach Gesetzgebung und politische Ordnung der Obrigkeit mit der "Göttlichen Gerechtigkeit" übereinstimmen müssten. In Memmingen, Kempten, Leutkirch und anderen Reichsstädten legten Pfarrer und Laienprediger die Bibel in seinem Sinne aus.

Bauernhaus-Museum Allgäu-Oberschwaben Wolfegg
Das Bauernhaus-Museum Allgäu-Oberschwaben Wolfegg ist ein 1978 eröffnetes Freilichtmuseum des Landkreises Ravensburg (Baden-Württemberg), das auf über 15 Hektar Fläche historische Gebäude zeigt, die das Leben und Arbeiten vergangener Zeiten veranschaulichen.

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden