Lange Zeit hat der Vater geschwiegen, geschwiegen über seine Vergangenheit im Jugoslawienkrieg, über seine kaputte Ehe, seine Zeit als Gastarbeiter im Ausland, geschwiegen gegenüber seinem schwulen Sohn. Erst als er die Diagnose einer unheilbaren Krankheit erhält, wendet er sich wieder an ihn.

Der Sohn selber hat in Berlin gelebt, die Stadt jedoch resigniert wieder für die kroatische Hauptstadt Zagreb eingetauscht. Er gehört nicht zu den erfolgreichen, rastlosen, reichen Exil-Kroaten, die es in den Metropolen Europas "zu was gebracht haben." Stattdessen arbeitete er gelangweilt an einer Hotelrezeption, schreibt Gedichte, zweifelt viel und meist an sich und seinem Talent und fremdelt mit dem, was wir ein "erfolgreiches und erfülltes Leben nennen."

"Die Nachricht, dass mein Vater schwer krank ist, nehme ich beinahe gleichgültig auf. Sie irritiert mich nur ein wenig, wie irgendwelche Straßenarbeiten oder die Nachricht, dass unser alter Nachbar endlich gestorben ist, oder der Tratsch über ein dysfunktionales Pärchen aus meinem Freundeskreis, das eben doch ein Baby erwartet."

Mit dem unerwarteten Anruf seines Vaters und der schlechten Nachricht seines Gesundheitszustandes zieht es den Sohn dann doch von Zagreb zurück in die Provinz, in die alte Wohnung. Dabei sind die Hürden, endlich miteinander zu reden, groß. Viel Zeit war vergangen, die Grundlage für einen offenen Austausch nie wirklich vorhanden. Der Tod der Mutter, die ihren Kummer jahrelang in Alkohol ertränkte und bei einem Autounfall starb, die Scham des abwesenden Vaters, der als Gastarbeiter viel im Ausland war, der mit der Homosexualität seines Sohnes fremdelt und der Krieg, der sein Leben erschütterte, waren so lange zur Seite geschoben, dass eine Annäherung zum Scheiten verurteilt scheint.

"Ich würde ihm gerne über mich erzählen. Ihm sagen, was es Neues gibt. Doch er weiß nicht mal, was es Altes gab. Er hat sich nie damit beschäftigt. Er hat nie gefragt und nie etwas verlangt. Deswegen schulde ich ihm wohl nichts. Vielleicht spürt er, dass er kein Recht hat, etwas von mir zu verlangen. Wir haben uns nie über Liebe unterhalten, über Sex."

Und dann kommt alles anders. Vater und Sohn nähern sich wieder an, sprechen über die Unfähigkeit des Sohnes zu lieben, seine Gedichte und seinen Traum, einmal Schriftsteller zu werden. Sie thematisieren die bevorstehende Operation des Vaters, Pläne für die Zukunft. Und entwickeln ein neues Verständnis füreinander. Kafka hätte sich genau das gewünscht.

Lakonisch geschrieben, sehr pointiert

Der Roman "Daddy Issues" ist sehr lakonisch geschrieben, sehr pointiert und gibt Einblicke in sehr universelle Themen. Er wechselt zwischen Gegenwart und Rückblenden.  Pešut schreibt schnell, unterhaltsam, authentisch. Die Dialoge sind knackig, machen teilweise richtig Spaß.

Der Autor selber ist 1990 geboren, er nimmt uns mit in ein Kroatien, das von großen Veränderungen geprägt ist, dessen Narben noch frisch sind, dessen Traumata unbehandelt und in dem die Menschen damit hadern, ihren Platz zu finden.

Dabei bezeichnet "Daddy Issues" eigentlich Frauen oder Männer, die aufgrund einer gestörten Beziehung zu ihrem Vater Probleme bei der Partnerwahl haben. Tatsächlich ist es der englische Begriff für das psychoanalytische Konzept des "Vaterkomplex". Im Englischen heißt der Roman einfach nur "Daddy", das trifft es ein bisschen besser.

Fragen, Vorbehalte und Zukunftsängste

Bislang gibt es wenige, junge Romane aus der Region, die in Deutsche übersetzt wurden und so authentisch Zeugnis ablegen, von den Fragen, Vorbehalten und Zukunftsängsten der Menschen.

"Nach Hause zurückzukehren ist etwas für Nichtsnutze, Hallodris, Geschiedene, Muttersöhnchen und Papas Prinzessinnen", schreibt Pešut ganz am Anfang. Für ihn ist es genau das Richtige – ohne in eine der genannten Kategorien zu passen. In einem Interview sagte er, dass der Roman zwar ein paar Versatzstücke aus seinem Leben enthalte, aber mehr nicht:

"Der Hauptcharakter ist mir in gewisser Weise nah. Ich bin queer, wuchs in einer Arbeiterklasse-Familie in einer kleinen Stadt auf und wohne jetzt in einer Welt junger Kreativer. Ich habe zudem ein wenig aus dem Leben meines Vaters geklaut. Der Rest ist Fiktion."

Daddy Issues

Dino Pešut

Ein Leben zwischen Aufbruch und Resignation: In seinem Roman "Daddy Issues" erzählt der kroatische Autor Dino Pešut mit großer Leichtigkeit von einer jungen Generation, die alles zu haben scheint, doch der die Welt aus den Händen gleitet.

Hier im sozialen Buchhandel Buch7 bestellen

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden