Als Dalia selbst noch in der Schule war, hätte sie sich jemanden gewünscht, der sagt: "Ich bin dunkelhäutig und ich studiere Jura", sagt die 22-jährige Jurastudentin, deren Eltern aus Eritrea und Äthiopien stammen. "So jemanden wie Mert", sagt sie.

Mert hat 2020 die Ortsgruppe Erlangen/Nürnberg des bundesweit agierenden Vereins InteGREATer mitgegründet. Mittlerweile sind schon 25 junge Menschen "Integreater" geworden. Der Verein macht Jugendlichen mit Migrationsgeschichte Mut zu Ausbildungen oder zum Studium. Dafür rücken seine Mitglieder - junge, erfolgreiche Menschen mit Migrationshintergrund - bei Besuchen in Schulen Erfolgsgeschichten in den Vordergrund.

Hindernisse, die sie überwunden haben

Gemeinsam haben Dalia, Mert, Özge, Anh und Memet die Robert-Bosch-Mittelschule in Nürnberg besucht, um von ihren Erfahrungen in der Schule und im Studium zu erzählen und von den Hindernissen, die sie überwunden haben. Zum Kennenlernen wird ein Spiel gespielt: Einer nennt eine Eigenschaft oder Erfahrung und alle, die diese Erfahrung teilen, müssen aufstehen und sich einen neuen Platz suchen.

Als Dalia sagt: "Meine Muttersprache ist nicht deutsch" stehen alle auf, ebenso bei "Ich musste schon einmal etwas für meine Eltern übersetzen". Dalia übersetzte nicht nur für ihre Eltern, sie lernte mit ihrer Mutter auch für deren Ausbildung und bereitete sie auf Prüfungen vor.

Die Integreater sind alle in Deutschland geboren oder als Kleinkinder mit ihren Familien nach Deutschland immigriert, erzählen sie. Memet hat gute Erfahrungen in der Schule gemacht, den Bildungsweg seiner Eltern beschreibt der 19-jährige Jurastudent allerdings als schwierig. Ihre türkischen Universitätsabschlüsse seien in Deutschland nicht anerkannt worden und so arbeiteten beide zunächst als Putzkräfte. Mit 40 Jahren, vier Kindern und Vollzeitjob habe seine Mutter dann noch einmal Lehramt studiert. Sie ist für ihn ein Vorbild.

Fünf junge Menschen stehen vor der Schule
Gemeinsam haben Dalia, Mert, Özge, Anh, und Memet die Robert-Bosch-Mittelschule in Nürnberg besucht, um von ihren Erfahrungen in der Schule und im Studium zu erzählen und von den Hindernissen, die sie überwunden haben.

Wann hat man es geschafft?

Genau das wollen auch die Integreater sein: Vorbilder. Nicht umsonst lautet das Motto des Vereins "Wenn wir es geschafft haben, dann schafft ihr es auch!" Aber wann hat man es eigentlich "geschafft"? Das Ziel müsse nicht immer ein Studium sein, sagt Mert. Am wichtigsten sei es, etwas abzuschließen, mit dem man zufrieden ist und worauf man stolz sei und sich aus traditionellen Mustern und Rollenbildern befreien könne.

Auch Sexismus sei ein großes Thema, erklären die Integreater. So würden vor allem Frauen mit Migrationshintergrund oft stark unterschätzt. Umso besser, wenn man mit Frauen wie Anh ins Gespräch kommen kann. Sie wurde als Kind vietnamesischer Eltern in Deutschland geboren und studiert derzeit Sozialökonomik in Erlangen.

Eine Schülerin ist ganz begeistert und geht nach Ende des Workshops auf Anh zu.

"Ich muss nochmal mit Anh sprechen. Ich will nämlich Steuerberaterin werden und ich will hören, was sie dazu sagt."

"Das schaffst du nicht"

Die Jugendlichen erzählen, wie oft sie Sätze wie "Du schaffst das nicht" oder "Das ist zu schwer für dich" zu hören bekommen oder den Rat, nach der Schule am besten eine Ausbildung anzufangen und über das Studieren erst gar nicht nachzudenken. "Nichts ist zu schwer", sagt Memet und erklärt, wie es möglich ist, das Abitur später nachzuholen oder welche Wege man nach der Mittleren Reife einschlagen kann.

Oft sei es so, dass junge Menschen mit Migrationshintergrund weniger Zeit zum Lernen haben, "weil wir andere Verantwortungen haben", erklärt Memet. Er habe beispielsweise oft auf seine jüngeren Geschwister aufgepasst, weil seine Eltern hart arbeiten mussten.

Leistung von Lehrkräften infrage gestellt

Auch für Mert war die Schulzeit keine leichte. Jeden Morgen stand er um vier Uhr auf, um mit seinem Vater Hausaufgaben zu machen. Er erlebte im Gymnasium Lehrkräfte, die ihm das Gefühl vermittelten, "du schaffst es einfach nicht". Auch Özge berichtet von solchen diskriminierenden Erfahrungen und davon, dass eigene Leistungen ständig infrage gestellt worden seien.

"Jeder hat eigentlich das Gleiche erfahren, aber man hat es trotzdem irgendwie geschafft, weil der Vater oder die Mutter oder jemand Bekanntes dich dazu gepusht hat, dass du weitermachst", erzählt Mert. Für alle, denen eine solche Person fehlt, wollen die Integreater zum Push-Faktor werden. Sie wollen den Jugendlichen zeigen, dass sie nicht allein sind.