Die Mütter des Grundgesetzes waren die Sozialdemokratinnen Friederike Nadig und Elisabeth Selbert sowie die vom politischen Katholizismus geprägten Politikerinnen Helene Weber (CDU) und Helene Wessel (Zentrumspartei). Vor allem Elisabeth Selbert ist es zu verdanken, dass die Gleichberechtigung von Frau und Mann in Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes Aufnahme fand.

Friederike Nadig

FRIEDERIKE (FRIEDA) NADIG (11. Dezember 1897 bis 14. August 1970), Lehre zur Kauffrau, anschließend Verkäuferin. Seit 1916 SPD-Mitglied. Im Mai 1933 auf Basis der NS-Gesetzgebung fristlos aus dem Dienst der Stadt Bielefeld entlassen, seit 1936 Anstellung als Gesundheitspflegerin im Kreis Ahrweiler. 1947 bis 1950 Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags mit Schwerpunkt Sozialpolitik. Im Parlamentarischen Rat setzte sich Nadig nach anfänglichen Bedenken für die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ein.

Elisabeth Selbert

(MARTHA) ELISABETH SELBERT, geborene Rohde (22. September 1896 bis 9. Juni 1986), Besuch einer Mittelschule in Kassel, Auslandskorrespondentin, ab 1914 bei der Reichspost beschäftigt. Seit 1918 SPD-Mitglied, 1920 Heirat mit dem Buchdrucker und Sozialdemokraten Adam Selbert. Als zweifache Mutter 1926 Abitur, Jurastudium in Marburg und Göttingen, 1929 Staatsexamen, 1930 Promotion über Ehe- und Familienrecht, ab den 30er Jahren Rechtsanwältin in Kassel. Nach dem Krieg beteiligt am Wiederaufbau der SPD und der Arbeiterwohlfahrt.

Im Parlamentarischen Rat dringt sie auf die klare Formulierung "Männer und Frauen sind gleichberechtigt", die zweimal abgelehnt wird. Selbert startet eine Öffentlichkeitskampagne und erzeugt damit politischen Druck, sodass ihr Vorschlag im Januar 1949 die entscheidende Hürde nimmt. Selbert selbst spricht von einer "Sternstunde meines Lebens", wenngleich patriarchale Bestimmungen im Familienrecht teils noch jahrzehntelang Gültigkeit haben.

Helene Weber

HELENE WEBER (17. März 1881 bis 25. Juli 1962), Arbeit als Volksschullehrerin, anschließend Hochschulstudium und 1909 bis 1916 Tätigkeit im Höheren Schuldienst, außerdem ab 1909 in der Sozialarbeit. Mitglied der Zentrumspartei, für diese in der Weimarer Nationalversammlung (1919/20) und in den 20er Jahren in mehreren Parlamenten tätig. Berufliche Stationen unter anderem im preußischen Wohlfahrts- und Kultusministerium.

1933 Entlassung aus dem öffentlichen Dienst, obwohl sie zuvor für das "Ermächtigungsgesetz" gestimmt hatte, mit dem die NS-Diktatur maßgeblich etabliert wurde. Weber konzentriert sich auf katholische Verbandsarbeit, tritt nach Kriegsende der CDU bei und gilt nach Gründung der Bundesrepublik als einflussreichste Frau der Union. Im Parlamentarischen Rat macht sie sich vor allem für die Verankerung des Elternrechts im Grundgesetz stark. Der vollen Gleichstellung der Frau im Ehe- und Familienrecht steht sie zurückhaltend gegenüber, unterstützt aber am Ende die von Selbert geforderte formale Gleichstellung der Geschlechter.

Helene Wessel

HELENE WESSEL (6. Juli 1898 bis 13. Oktober 1969), Ausbildung zur Stenotypistin, seit 1915 Parteisekretärin der Zentrumspartei in Dortmund. Engagement in der Jugend- und Frauenarbeit, zählt zum linken Flügel der Zentrumspartei und widersetzt sich als Abgeordnete des Preußischen Landtags dem preußischen "Ermächtigungsgesetz". Danach ohne dauerhafte Beschäftigung, ab 1939 im katholischen Fürsorgewesen tätig.

Aufgrund ihrer traditionellen Vorstellungen von Ehe und Familie überlässt sie die Initiative zur Gleichberechtigung der Geschlechter den SPD-Politikerinnen Selbert und Nadig, unterstützt ihn aber letztendlich. Weil sie christliche Wertvorstellungen und sozialstaatliche Grundrechte im Grundgesetz vermisst, lehnt sie das gesamte Werk bei der Schlussabstimmung vom 8. Mai 1949 ab.

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