Die Frankfurter Fotografin Sandra Weller beschäftigt sich in ihren Arbeiten mit den Auswirkungen des Klimawandels. Für ihre Fotoreportage "Solarkiosk"  hat sie das Lagois-Stipendium 2023 erhalten. Im Sonntagsblatt-Interview erzählt sie, warum sie glaubt, dass Afrika das Potenzial hat, zum "grünen Kontinent" zu werden.

Wie kamen Sie auf die Idee, die Energiewende in Afrika fotografisch zu dokumentieren?

Sandra Weller: Ich wollte eines der wichtigsten Themen unserer Zeit, die Klimakrise, thematisieren, dabei aber nicht noch mehr Bilder machen, die zeigen, dass der Klimawandel vorhanden ist, sondern vorhandene Lösungen zeigen. Afrika hat ein großes Potenzial, zum grünen Kontinent zu werden. Außerdem wollte ich mich mit Solarenergie beschäftigen. 

Wie sind Sie vor Ort genau vorgegangen?

Weller: Ich habe meine Recherche in Gambia begonnen und war erst überrascht, weil die Menschen dort eher nicht an Solarenergie geglaubt haben. Dann habe ich mitbekommen, dass ein Grund dafür die Instandhaltung der Anlagen ist, denn es gibt nicht genug geschultes Personal dafür. Ein positives Beispiel war dann eine lokale Firma, die durch internationale Gelder Mini-Solaranlagen in einem entlegenen Dorf installiert hat und sich um die Wartung kümmert. Ich konnte dort verfolgen, was dieser Wandel für die Menschen bedeutet und wie sie vom wirtschaftlichen Aufschwung profitieren konnten.

Welche Probleme gibt es vor Ort noch?

Weller: Ein großes Problem ist der Müll, denn es ist unklar, was mit den ganzen kaputten Geräten passiert. Für diesen Kreislauf gibt es keine Regularien, deswegen kommt es zu unprofessionellem Recycling oder es wird vieles verbrannt. Die Batterien sind dabei sehr begehrt, die werden in Fabriken mit Macheten aufgeschlagen, die Rohstoffe werden eingeschmolzen und gehen wieder nach Europa.

"Die Geräte sind langlebig und verringern dadurch auch den Müll."

Wie kamen Sie zum Projekt Solarkiosk?

Weller: Ich wollte ja nicht nur dokumentieren, was nicht funktioniert, sondern wollte positive Beispiele zeigen. Ich traf Osew, der die Solarlampen mitentwickelt hat und war ziemlich begeistert von ihm, weil er aus Leidenschaft angefangen hat daran zu tüfteln, wie Menschen einen Zugang zu Strom bekommen. Sein Projekt gibt den Leuten kostensparend einen Zugang zu Strom aus Solarenergie. Die Geräte sind langlebig und verringern dadurch auch den Müll.

Wie funktioniert der Solarkiosk?

Weller: Die Menschen können sich für einen kleinen Betrag einen Kasten mieten, über den sie einen Zugang zu Solarstrom bekommen, um Handys oder Lampen aufzuladen. Sie waren alle sehr begeistert, weil die Kosten viel geringer sind und das System viel langlebiger ist. Es ging auch darum, möglichst jedem Zugang zu gewähren. Gerade jetzt, wo die Preise gestiegen sind, waren die Dorfbewohner, die einen Solarkiosk haben, total glücklich, weil sie von den Preissteigerungen nicht so betroffen sind.

"Die Studenten waren alle sehr ambitioniert, ihren Teil gegen den Klimawandel beizutragen. "

Sprechen die Menschen vor Ort über die Klimakrise?

Weller: Viele Menschen erzählten, dass es mehr schlechte Ernten gibt. Vor meinem Projekt habe ich mit Studenten aus Afrika über den Klimawandel gesprochen, eine Studentin erzählte, dass ihr Vater meinte, dass das Essen anders schmeckt als früher. Oft wird den Leuten durch ganz kleine Veränderungen bewusst, dass sich etwas geändert hat, ohne dass sie genau wussten, dass es jetzt der Klimawandel ist. Aber Veränderungen sind grundsätzlich allen schon bewusst. Im Senegal gibt es beispielsweise mehr Überflutungen an der Küste. Die Studenten waren aber alle sehr ambitioniert, ihren Teil gegen den Klimawandel beizutragen. 

Ein Kind hält eine Solarlampe mit einer Hand am Griff fest, neben ihr stehen ihre Mutter, die im Bild abgeschnitten ist.
Ein Kind mit einer vom Solarkiosk gemieteten Lampe
Ein Mann schließt sein Handy an den Solarstrom an. Dazu steht er vor einem geöffneten orangenen Fach, das sich neben andere reiht.
Die Dorfbewohner können jeweils ein Fach mieten, um den Solarstrom zu nutzen.
Eine Frau spannt ein Moskitonetz auf, dabei belichtet sie den Raum mit einer in einem offenen Fenster stehenden Lampe.
Alija bereitet das Moskitonetz in Ihren Haus zum schlafen vor. Sie hat fünf Kinder. Sie benutzen eine Lampe, die sie von dem Solarkiosk gemietet haben.

Welche Bedeutung spielt die Frage nach Klimagerechtigkeit vor Ort?

Weller: Beim Solarkiosk geht es darum, eine günstige Stromquelle zu beziehen.  Den Menschen ist der Klimawandel durchaus bewusst, aber sie sind nicht in der finanziellen Lage, dass sie sagen können, sie verändern etwas, um das Klima zu retten. Die Situation in Deutschland ist da komfortabler.

Haben Ihre Erfahrungen in Afrika das eigene Verständnis von Klimagerechtigkeit verändert?

Weller: Wenn man etwas vor Ort ändern will, dürfen wir nicht mit Argumenten kommen, dass etwas so und so gemacht werden muss, weil das besser ist für das Klima. Man muss einfache Lösungen anbieten, die auch nachhaltig funktionieren. Ich war am Anfang sehr überrascht darüber, dass viele gesagt haben, sie glauben nicht an Solarenergie. Das Problem ist dann, dass die Glaubwürdigkeit verloren geht, wenn man die Thematik nicht auf die richtige Art und Weise erklärt. Dann werden Gelder gespendet und weit und breit gibt es niemanden, der diese Solarenergie umsetzen kann.

"Ich denke, dass in Deutschland viel Greenwashing betrieben wird."

Wie steht es um die Klimagerechtigkeit in Deutschland?

Weller: Ich denke, dass in Deutschland viel Greenwashing betrieben wird. Viele Leute haben das Gefühl, sie tun sehr viel gegen den Klimawandel, doch wird vieles vertuscht. Dass eine Bio-Gurke hier in Plastik verpackt und verkauft wird, ist Quatsch. Ich bin definitiv der Meinung, dass in Deutschland mehr gegen den Klimawandel getan werden kann.

Was wollen Sie mit der Fotoserie über Solarenergie erreichen?

Weller: Ich thematisiere die Ambivalenz mit dem Umgang des Klimawandels und will auf die globale Ungerechtigkeit aufmerksam machen. Der Zugang zu Strom ist essenziell für uns Menschen, deshalb sollte auch jeder Mensch auf erneuerbare Energien zurückgreifen können. Und dieser Prozess muss gut ablaufen, damit am Ende der ökologische Fußabdruck nicht schlechter ist als mit herkömmlichen Energiequellen. Ich erhoffe mir, durch meine Fotografien mehr Menschen zu motivieren, Zeit und Arbeit in Projekte zu stecken, die diesen Weg gehen. 

Inwiefern hilft das Lagois-Stipendium bei der Fertigstellung Ihrer Fotoarbeit "Solarkiosk"?

Weller: Mir fehlen auf jeden Fall noch weitere Bilder, um die ganze Geschichte des Projekts erzählen zu können. Deshalb freue ich mich sehr, dieses Stipendium gewonnen zu haben. 

"Kuba wurde 2020 als eins der nachhaltigsten Länder gewählt."

An welchen fotografischen Projekten arbeiten Sie gerade?

Weller: Ich will an dem Thema "grüne Energiewende Afrikas" weiterarbeiten, weil es dazu noch sehr viele Unterthemen gibt. Je länger ich an diesem Thema arbeite, desto mehr spannende Themen entwickeln sich dadurch. Ich plane außerdem eine Reise nach Kuba. Das Land wurde 2020 als eins der nachhaltigsten Länder gewählt, deshalb finde ich es sehr interessant, sich das mal genau anzuschauen. 

Fotografin Sandra Weller

Sandra Weller hat Visuelle Kommunikation in Maastricht studiert. Für ihre internationalen Fotoprojekte war sie etwa in Thailand, Myanmar und Kuba. Ihre Fotografien wurden in der Time, La Republica, National Geographic oder Newsweek veröffentlicht. Sie lebt in Frankfurt. Für den Abschnitt ihres Projekts in Ghana erhielt sie auch eine Förderung von Stiftung Kulturwerk.

Lagois-Fotowettbewerb "Klimagerecht leben" - jetzt bewerben

Der Lagois-Fotowettbewerb ist mit 5.000,- Euro dotiert. Gesucht werden Fotoreportagen über Menschen oder Gruppierungen, die Klimagerechtigkeit leben. Kleine und große Held*innen, die sich furchtlos für Umweltschutz und gegen die Erderwärmung einsetzen, die Verantwortung übernehmen und einen gesellschaftspolitischen Wandel vorantreiben. Anmeldefrist für den Fotopreis ist der 26. März 2023. Alle Infos zur Anmeldung gibt es hier.

Der Lagois-Fotowettbewerb will Ursachen und Folgen des Klimawandels sichtbar machen und Lösungen aufzeigen - ob beim Anbau regionaler Lebensmittel, dem Ausbau von Grünflächen in der Stadt oder der Herstellung nachhaltiger Produkte. Die Reportagen können sich aber auch anderen Themen widmen wie Mobilität, soziale Gerechtigkeit, Naturschutz, Wasser, Biodiversität oder Upcycling.
Der Fotopreis wird in zwei Kategorien vergeben und richtet sich an Profifotografen sowie an Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 27 Jahren. Die besten Fotos werden in einer Wanderausstellung in ganz Deutschland präsentiert, außerdem erscheint ein Bildband zum Thema.

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