Was erwarten Sie von der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz (MSC)?

Maria Feckl: Es schockiert mich jeden Tag aufs Neue, was da kommt. Das fängt schon damit an, dass Christoph Heusgen (der neue Vorsitzende der MSC, Anm. d. Red.) gesagt hat, es seien keine Vertreter*innen der russischen Regierung eingeladen. Die Sicherheitskonferenz hat sich immer gelobt, ein Forum zu sein, eine Plattform für Politik und Wirtschaft weltweit. Und genau jetzt, wo wir Diplomatie und Gespräche bräuchten, trifft man so eine Entscheidung.

"Man sieht an den Getreideverhandlungen und am Gefangenenaustausch, dass Verhandlungen möglich sind."

Das Argument ist, dass man mit dem russischen Präsidenten Putin nicht verhandeln kann.

Auch wenn das viele sagen: Man sieht an den Getreideverhandlungen und am Gefangenenaustausch, der auch über das Rote Kreuz gelaufen ist, dass Verhandlungen möglich sind. Wie kann man diese Chance nicht nutzen? Diese Ausladung verstehe ich nicht.

Die Münchner Friedenskonferenz

Parallel zur Münchner Sicherheitskonferenz findet an dem Wochenende vom 17. bis 19. Februar als Alternativveranstaltung auch wieder die Internationale Münchner Friedenskonferenz statt. Geplant sind Vorträge und Workshops im Alten Rathaus, der Hochschule für Philosophie und ein Friedensgebet in der Nazarethkirche. Zum Trägerkreis der Konferenz zählen Greenpeace und die katholische Friedensbewegung Pax Christi. 

Sie erwarten also keinen Beitrag der Sicherheitskonferenz zur Beendigung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine?

Nein. Herr Heusgen ist vorgeprescht und fordert immer weitere Waffenlieferungen.  Außerdem haben die Organisator*innen eine Umfrage unter der ukrainischen Bevölkerung durchführen lassen. In dieser spricht sich eine überwältigende Mehrheit für eine Fortsetzung des Kampfes gegen Russland aus—selbst im Falle des russischen Einsatzes einer taktischen Atomwaffe. Auf dieser Basis wird argumentiert, dass deutsche Politiker*innen den ukrainischen Kampfeswillen in der Frage um Waffenlieferungen nicht ignorieren dürfen.

"Die Konferenz ist seinerzeit als Wehrkunde-Tagung gestartet – da wurde das Kind noch beim Namen genannt."

Was ist Ihre Kritik an der Umfrage?

Sie ist pseudowissenschaftlich, da sie nicht von einem unabhängigen Forschungsinstitut durchgeführt wurde, sondern von der Lobbyorganisation Kekst CNC, die selbst Sponsor der Münchner Sicherheitskonferenz ist. Ob auch Ukrainer*innen in besetzten Gebieten und an der Front befragt wurden, ist nicht klar. Die Umfrage ist zudem zynisch, weil sie vom Krieg gepeinigte Ukrainer*innen instrumentalisiert, um die aggressiven Argumente der Organisator*innen der Sicherheitskonferenz zu untermauern. Die Konferenz ist ja seinerzeit als Wehrkunde-Tagung gestartet – da wurde das Kind noch beim Namen genannt.

Wie meinen Sie das?

Man denkt heute fast, es handele sich um eine Friedensorganisation. Sie sprechen von Dialog auf Augenhöhe und sagen, sie wollen die dringendsten Sicherheitsprobleme der Welt lösen. Ich würde mir nichts mehr wünschen als den angekündigten Dialog. Und Herr Putin war ja auch in München 2007, hat dort eine Rede gehalten. Viele sagen, es gab zu viel Appeasement-Politik. Ich gehe eher davon aus, dass man zu viele bestehende Gesprächskanäle nicht weiter genutzt hat. Das ist für mich ein wichtiger Grund dieser Eskalation des Krieges.

"Das große Problem an der Sicherheitskonferenz ist ihre militärische Ausrichtung."

Die Sicherheitskonferenz leistet aus Ihrer Sicht also keinen Beitrag zum Frieden?

Das große Problem an der Sicherheitskonferenz ist ihre militärische Ausrichtung, die sich auch zu ihrer Nähe zu Rüstungsfirmen wie Hensoldt, Krauss-Maffei Wegmann oder Rheinmetall spiegelt, die als Hauptsponsoren auftreten. Unsere dringendsten Weltprobleme, der fortschreitende Klimawandel, die Armutsproblematik, die Hungerproblematik oder auch die Migrationsfrage sind aber Themen, die man nicht mit Militär löst.

Was will die Friedenskonferenz, zu deren Organisator*innen Sie gehören, dem entgegensetzen?

Ein konstruktives Konzept für Sicherheit. Eine resiliente Zivilgesellschaft, die auch fähig ist, kritisch zu denken, die auch zu zivilem Ungehorsam fähig ist. Was sagt die Zivilgesellschaft zu dieser vermeintlichen Zeitenwende? Wo sind unsere Probleme? Sei es der Pflegenotstand, sei es der voranschreitende Klimawandel, der Verlust an Biodiversität oder die wachsende Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland. Genau dafür ist die Friedenskonferenz da, um Denkprozesse anzustoßen, um andere Sichtweisen darzustellen, um eine Vielfalt zu erzeugen, nicht zu polarisieren. Denn das haben wir schon genug in der Gesellschaft.

"Es gibt genug Menschen, die nicht für Waffenlieferungen sind, aber die meisten sind leider nicht aktiv."

Stoßen Sie mit Ihren Forderungen auf viel Resonanz? Die Deutschen äußern sich ja immer wieder skeptisch zu Waffenlieferungen.

Es gibt genug Menschen, die nicht für Waffenlieferungen sind, aber die meisten sind leider nicht aktiv. Man hat es leider nicht geschafft, sie zu mobilisieren. Es ist allerdings auch schwierig sich zu äußern, wenn man nicht den ganzen Shitstorm über sich ergehen lassen will. Fakt ist jedenfalls, dass wir nicht so mobilisieren konnten wie zum Beispiel in den 80er Jahren bei der Stationierung der Pershing-Raketen, der Wiederbewaffnung nach dem Krieg oder auch beim Irakkrieg. Die Leute sind nicht auf der Straße. Woran das liegt, weiß ich nicht.

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