Angesichts weltweit zunehmender Krisen und Konflikte steht die Vergabe des Friedensnobelpreises in diesem Jahr besonders im Zeichen der russischen Invasion in die Ukraine. Fachleute räumten im Vorfeld Personen die größten Chancen auf die Auszeichnung ein, die sich aktiv für demokratische Freiheiten und ein friedliches Miteinander einsetzen.

Friedensnobelpreis 2022: 343 Nominierungen, 3 Gewinner

Für 2022 gingen laut dem Nobelkomitee in Oslo 343 Nominierungen ein, davon 251 für Personen und 92 für Organisationen. Das war die bislang zweithöchste Zahl von Vorschlägen überhaupt - nach dem Rekord von 376 im Jahr 2016. 

Der renommierteste Friedenspreis der Erde geht an den inhaftierten belarussischen Menschenrechtsanwalt Ales Bjaljazki, die russische Organisation Memorial und das ukrainische Center for Civil Liberties. Das gab das norwegische Nobelkomitee am Freitag in Oslo bekannt.

Das waren die Top-Favoriten

Die Gewinner*innen zählten nicht unbedingt zu den Top-Favoriten. Unter diesen sah der Leiter des Osloer Friedensforschungsinstituts Prio, Henrik Urdal, die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja zusammen mit dem inhaftierten russischen Oppositionellen Alexej Nawalny. Die Belarussin setze sich ein für einen demokratischen und friedlichen Machtwechsel in ihrer Heimat, schreibt Urdal.

Anti-Korruptions-Aktivist und Oppositionsführer Nawalny habe eine zentrale Rolle im gewaltlosen Kampf für Demokratie in Russland gespielt. Beide seien lautstarke Kritiker des russischen Krieges gegen die Ukraine. Eine gemeinsame Auszeichnung würde "als klarer Protest gegen die russische Aggression" verstanden werden.

Wettbüros haben ebenfalls einen Spitzenanwärter

In Wettbüros galt die englischsprachige Onlinezeitung "The Kyiv Independent" als ein Spitzenanwärter, gefolgt vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Zum Zeitpunkt der Invasion Moskaus am 24. Februar aber war die offizielle Nominierungsfrist für letzteren seit über drei Wochen verstrichen. Europäische Abgeordnete hatten an das Nobelkomitee appelliert, diese auszudehnen, was das Komitee jedoch ablehnte.

Kreml-Kritiker Nawalny wurde in Wettbüros ebenfalls hoch gehandelt – ebenso wie das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR sowie die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg. Das "Komitee zum Schutz von Journalisten" belegt bei den Buchmachern ebenfalls einen der vorderen Plätze.

Auf Urdals Liste hingegen steht auf Platz zwei der Internationale Gerichtshof in Den Haag. Mechanismen zur friedlichen Beilegung von Konflikten zwischen Staaten seien in einer zunehmend polarisierten Welt besonders unterstützenswert, begründet der Prio-Chef seine Einschätzung.

Gute Chancen räumte er auch dem indischen Friedensaktivisten und Autor Harsh Mander ein. Mit seiner 2017 initiierten Kampagne "Karwan-e-Mohabbat" (Karawane der Liebe) mache er sich unter der hindu-nationalistischen Regierung von Narendra Modi für Opfer religiöser Gewalt stark. Den uigurischen Wissenschaftler Ilham Tohti aus China sowie die Aktivisten Agnes Chow Ting und Nathan Law Kwun-chung aus Hongkong erachtet Urdal ebenfalls als preiswürdig.

Friedensnobelpreis ist mit 10 Millionen Kronen dotiert

Der Friedensnobelpreis wurde von dem schwedischen Chemiker und Industriellen Alfred Nobel (1833-1896) gestiftet. Der Erfinder des Dynamits widmete die Ehrung Verdiensten um Völkerverständigung, Abrüstung und Frieden. Derzeit ist er mit 10 Millionen schwedischen Kronen dotiert (gut 918.000 Euro).

In der Geschichte der seit 1901 verliehenen Ehrung war eine Reihe von Preisträgern umstritten: In jüngster Zeit galt das insbesondere für US-Präsident Barack Obama 2009 und die EU 2012. Traditionell wird der Preis am 10. Dezember in Oslo überreicht, dem Todestag Nobels. Im vergangenen Jahr wurden die philippinische Journalistin Maria Ressa und ihr russischer Kollege Dmitri Muratow ausgezeichnet.