Manchmal ist es nicht leicht, die richtigen Worte zu finden. Aber es ist wichtig. Gerade in der heutigen Zeit. Gerade, wenn es um das Recht geht. Hier die richtigen Worte zu finden, ist bisweilen besonders schwer. Vor allem für Laien. Im Gewirr aus Fachsprache und Verständlichkeit kann man sich leicht verheddern.
Das zeigt beispielsweise die Verwendung des Wortes "grundsätzlich". Im Alltagsgebrauch wird es gern als Synonym für "generell" genutzt, während es den Juristinnen und Juristen als Lieblingswort für die Beschreibung eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses dient. Es soll dann also gerade nicht ausdrücken, dass etwas ausnahmslos gilt.
Belehrungen wegen sprachlicher Sensibilität
Aber auch die sprachliche Sensibilität spielt eine zunehmend wichtige Rolle. Immer häufiger kommt es deshalb zu Belehrungen. Das zeigte diese Woche anschaulich die Sendung "Hart aber Fair", in der vor allem über den Anschlag von Solingen diskutiert wurde.
Passend dazu liest man in einem "Welt"-Artikel über den Auftakt der Sendung Folgendes:
"Gleich zu Beginn der Sendung gab es von der Grünen-Bundestagsabgeordneten Katrin Göring-Eckardt einen Kurs in sensibler Sprache: ‚Wir sollten über den Mörder reden, der aus Syrien kam, wir sollten aber nicht über die Syrer reden.‘"
Richtig ist: Kriminalität und Herkunft stehen in keinem direkten Zusammenhang. Das kann man gar nicht oft genug betonen. Das gilt auch in Bezug auf den Anschlag in Solingen.
Trotzdem halte ich es für schwierig, hier "über den Mörder, der aus Syrien kam" zu reden.
Denn erstens gibt es in Bezug auf den Anschlag in Solingen bislang keine rechtskräftige Verurteilung, sodass man – Stand jetzt – nur von einem Beschuldigten, allenfalls von einer dringend tatverdächtigen Person sprechen kann. Zweitens erscheint mir die Verwendung der Bezeichnung "Mörder" recht unsensibel. Denn diese Bezeichnung stellt unweigerlich den Bezug zum Wortlaut des Paragrafen 211 Strafgesetzbuch (StGB) her – gerade, wenn man sie wie hier im strafrechtlichen Kontext verwendet. In Paragraf 211 Absatz 1 StGB steht: "Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft."
Wortlaut unterteilt Straffällige in Tätertypen
Dieser Wortlaut (abgesehen von sogenannter technischer Bereinigung: damals Todesstrafe, heute lebenslange Freiheitsstrafe) ist die Terminologie der Nationalsozialisten. Sie unterteilten straffällige Menschen in Tätertypen. Wie der Bremer Rechtsprofessor und Strafverteidiger Helmut Pollähne zutreffend schreibt, wählten sie daher einen auf "‚Täter*innen‘ statt auf Taten (wie bei den übrigen Tat-Beständen des StGB)" abstellenden Wortlaut. Dass dieser Gesetzeswortlaut – zur allgemeinen Schande – die Zeit bis heute überdauern konnte, ist ein eigenes Thema.
Vor diesem Hintergrund ist es aber umso wichtiger, sensibel zu sein und nicht auf vorbelastete Begriffe wie "Mörder" oder "Totschläger" zurückzugreifen. Das gilt auch für Laien und gerade dann, wenn man andere belehren möchte. Stattdessen sollte man bewusst auf Tatbeschreibungen zurückgreifen. Das ist nicht nur Ausdruck von Sensibilität, sondern hilft auch, die Denazifizierung des StGB weiter voranzutreiben.
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Ich finde den Kommentar an…
Ich finde den Kommentar an der Grenze zum Zynismus. Arglose Menschen wurden brutal getötet oder verletzt und der Autor sorgt sich um die Entnazifizierung deutscher STGB-Paragraphen und ob man bei den "Geopferten" auch brav gegendert hat? Diese wären vermutlich gerne einfach unverletzt und der mutmaßliche Täter dürfte sich auch eher um fairen Prozess, Strafmaß und hoffentlich irgendwann auch einmal die Rehabilitation kümmern als die politisch korrekte Benennung und den Seelenfrieden deutscher Juristen. Dass unser Rechtssystem von übertriebener Härte geprägt ist, kann man nun wirklich nicht sagen.