Für angestellte Pflegekräfte klingt das traumhaft: Sie können ihre Arbeitszeiten weitgehend selbst bestimmen. Sie werden in ihrer Freizeit garantiert nicht angerufen, um spontan für eine kurzfristig ausgefallene Kollegin einzuspringen. Auf den Dienstplan ist Verlass.

All das verspricht das Uniklinikum Würzburg künftigen Pflegekräften mit seinem Arbeitsmodell FLEX4UKW. Es startete im November 2022 - und erlebte einen Run: Mehr als 450 Menschen haben sich nach den Angaben bisher darauf beworben. 160 von ihnen wurden in das "Flexteam" aufgenommen.

FLEX4UKW-Projekt für Pflegekräfte in Würzburg

Wie FLEX4UKW-Recruiter Patrick Hetzer erklärt, versucht das neue Projekt, Pflegekräfte mit besonderen Wünschen an ihre Arbeitszeiten in einem Pool zu bündeln. Dabei kann sich jede Pflegekraft, die im Pool arbeitet, aussuchen, in welchem von elf medizinischen Fachbereichen sie eingesetzt werden will. In dem gewählten Bereich muss sie allerdings bereit sein, jeweils auf den Stationen tätig zu sein, bei denen gerade das Personal knapp ist.

Die große Resonanz auf das Modell FLEX4UKW zeigt laut Lena Ossiander, Pflegeentwicklerin am Uniklinikum, wie groß der Wunsch von Pflegerinnen und Pflegern ist, Job und Privatleben besser miteinander zu vereinbaren.

Durch das neue Projekt sei bereits das Äquivalent von 110 Vollzeitstellen rekrutiert worden. Das helfe, klaffende Lücken zu schließen. Vollständig behoben sei der Pflegemangel im Uniklinikum Würzburg jedoch noch nicht. "Unser Ziel ist es, 170 Vollzeitstellen durch FLEX4UKW zu besetzen", erklärt Patrick Hetzer.

Projekt in Bielefeld

Was das Uniklinikum Würzburg aktuell massiv bewirbt, ist so neu gar nicht, sagt Henrik van Gellekom, Pflegedienstleiter im Klinikum Bielefeld. Viele große Krankenhäuser verfügten heute über einen Flex-Pool. In Bielefeld gibt es ein ähnliches Modell wie an der Uniklinik Würzburg. Der Pool könne jedoch den Pflegenotstand nicht vollständig beseitigen. Weshalb das Klinikum Bielefeld ab Juli ein neues Arbeitszeitmodell ausprobiert: Pflegekräfte in Vollzeit sollen ihr Arbeitspensum an vier Tagen abarbeiten.

Allerdings gibt es auf dieses Angebot keinen Ansturm, räumt van Gellekom ein. "Viele fragen sich, ob sie einen Arbeitstag von neun Stunden aushalten." Van Gellekom will dennoch weiter neue Wege ausprobieren:

"Das Schlimmste wäre, dass alles so bleibt, wie es ist."

Das Bielefelder Pilotprojekt mit der Vier-Tage-Woche könnte nach Henrik van Gellekoms Überzeugung die Patientenversorgung deutlich verbessern. Und zwar dadurch, dass in den Übergangsphasen zwischen den Schichten für etwa 2,5 Stunden deutlich mehr Personal als sonst zur Verfügung steht. In dieser Zeit könnten mehrere Kolleginnen und Kollegen gemeinsam einen sehr aufwendigen Patienten versorgen.

Wie es gelingen kann, den Pflegeberuf attraktiver zu machen, zeigt auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) im

Vier-Tage-Woche in Sachsen-Anhalt

Landkreis Sangerhausen in Sachsen-Anhalt. Laut Landesgeschäftsführer Carlhans Uhle hat das DRK in dieser Kommune derzeit keine Probleme, freie Stellen zu besetzen. Gleich mehrere neue Modelle hätten zu dieser positiven Entwicklung geführt. Eines betrifft das von vielen Pflegekräften besonders unbeliebte Aus-der-Freizeit-Holen. Fällt eine Pflegerin aus, werden alle Kollegen seit etwa einem Jahr per Push-Meldung über ihr Handy darüber in Kenntnis gesetzt, dass es akut einen Ersatz braucht: "Bei wem es reinpasst, der springt ein."

Ab Januar 2024 greift ein mit ver.di ausgehandelter Modelltarifvertrag für eine Vier-Tage-Woche, berichtet Uhle. Demnach arbeiten Vollzeit-Pflegekräfte, die sich daran beteiligen, beim DRK in Sangerhausen 36 auf vier Tage verteilte Stunden. Wer bisher 40 Stunden tätig war, reduziert um vier Stunden bei gleichem Gehalt. Hiervon profitieren laut Uhle rund fünf Prozent der Pflegekräfte des DRK im Landkreis. Das Projekt wird 2024 und 2025 gutachterlich begleitet.

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