Was bedeutet das für ein Land wie Brasilien, wenn es Besuch bekommt von Bundeskanzler Olaf Scholz? Für den Kanzler war es die wichtigste Station der Südamerikareise. Am Ende umarmten sich bei einer Pressekonferenz Kanzler Scholz und Brasiliens Präsident Lula gleich mehrmals. Dennoch gab es auch Meinungsverschiedenheiten.

Lula hat am 1. Januar sein Amt angetreten. Es ist die dritte Regierungszeit. Schon von 2003 bis 2010 war Lula Präsident seines Landes. Nun ist er zurück auf der Weltbühne. Und Scholz sagte dem südamerikanischen Land insgesamt 200 Millionen Euro Unterstützung für den Umweltschutz zu.

Der Besuch des Bundeskanzlers Scholz wird in der Evangelischen Kirche lutherischen Bekenntnisses in Brasilien unterschiedlich gesehen, weiß Hans Zeller, der ehemalige Leiter des Lateinamerikareferats bei Mission EineWelt. Der Theologe war oft in Brasilien und hat die Menschen vor Ort befragt.

"Wir freuen uns natürlich, dass Beziehung zwischen Deutschland und Brasilien wieder neu an Schwung gewinnt," betont Romeu Martini, Pastor in Rio Grande do Sul, dem südlichsten Bundesland Brasilien. "Besonders die Unterstützung des Programms zum Schutz der natürlichen Ressourcen und der indigenen Völker, begrüße ich sehr," fährt er fort.

So hätten die Bilder aus dem Territorium des Volkes der Yanomami, die fast zeitgleich zum Besuch des Bundeskanzlers an die Öffentlichkeit gebracht wurden, viele Brasilianer aufgeschreckt. Denn die Lage des indigenen Volks, das im größten Reservat Brasiliens an der Grenze zu Venezuela lebt, ist alarmierend. In den Medien wurden bis auf die Knochen ausgehungerte Körper, eingefallene Gesichter mit leeren Augen, kranke Kinder gezeigt. Besonders innerhalb der lutherischen Kirche in Brasilien werde deshalb die Initiativ des Bundeskanzlers begrüßt.

Lutherische Kirche in Brasilien

Die Kirchengemeinden der Evangelischen Kirche lutherischen Bekenntnisses in Brasilien (IECLB) befinden sich vor allem in den drei südlichen Bundesländern Brasiliens Rio Grande do Sul, Santa Catarina und Paraná. In dieser Region wählten über 70 % der Bevölkerung Bolsonaro. Deshalb kann man davon ausgehen, dass 80 Prozent der lutherischen Gemeindeglieder Bolsonaro gewählt haben.

Der Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat seine Stimmen vor allem im Nordosten bekommen - und dies zeigt sich jetzt auch bei der Ministerauswahl. Aus den südlichen Bundesländern kommt lediglich ein Minister. Die Leitung der IECLB hat den Sturm auf die wichtigsten staatlichen Institutionen in Brasilien am 8. Januar 2023 deutlich verurteilt. Der Vizepräsident der IECLB, Odair Braun, ist zwar froh, dass Bolsonaro abgewählt wurde, aber er sieht auch das Problem, dass die südliche Region Brasiliens in Lulas Regierung vernachlässigt wird.

Negativ wird gesehen, dass Scholz die brasilianische Regierung mit der Debatte um die Munitionslieferung an die Ukraine unter Druck gesetzt hat. Von Miltom Oliveira wird die Ablehnung der Munitionslieferung an die Ukraine mit den Worten begrüßt: "Wir wollen uns nicht auf die eine oder Seite ziehen lassen, sondern der Konflikt muss im Dialog gelöst werden".

Insgesamt sind die Gemeinden in der IECLB sehr vorsichtig mit politischen Aussagen. "In der IECLB gibt es wie in der bayerischen Landeskirche eine Abwanderungstendenz", erklärt Zeller. Deshalb müsse die kleine Kirche mit politischen Aussagen zurückhaltend sein, denn diese könnten polarisieren und die Gemeinden. Romeu Martini setzt deshalb in der Gemeinde in Rio Grande do Sul auf den Dialog. Nur über das Gespräch könnten Fake News aus den sozialen Medien aufgedeckt werden und die Polarisierung in der brasilianischen Gesellschaft überwunden werden.

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