"Spasti, Fotze, Hurensohn": Die Schülerinnen und Schüler der Franz-Nißl-Mittelschule in München sind von der Aufforderung, alle Beleidigungen, die ihnen einfallen, an der Tafel zusammenzutragen, zunächst sichtlich irritiert. Aber dann fällt den Neuntklässlern doch so einiges ein, und von den 32 gesammelten Worten werden 20 rot eingekreist. Die Gemeinsamkeit liegt hier in der Diskriminierung, die die beleidigenden Worte beinhalten.
Im Antirassismus-Workshop, den Dora Stanic und ihre Kollegin in der Klasse halten, geht es zunächst um diskriminierende Beleidigungen und deren Begriffsbestimmungen. "Fotze" ist also sexistisch, lernen die Schülerinnen und Schüler. "Spasti" ist ableistisch, also behindertenfeindlich. Okay, aber reichen diese Erklärungen, damit diese Wörter nicht mehr verwendet werden?
"Früher habe ich immer über diese Beleidigungen gelacht. Ich würde die Wörter trotzdem noch verwenden, aber jetzt bin ich mir bewusst darüber",
sagt einer der Neuntklässler. Genau um dieses Bewusstsein gehe es in der politischen Bildungsarbeit, so Stanic.
Antirassismus-Workshop
"Das Ziel ist natürlich, dass man die Jugendlichen auch empowert, da mal selber drüber nachzudenken und bei sich anzufangen", sagt die 27-jährige Nürnbergerin. Sie versuche in den Kursen nicht zu sagen "ihr dürft das und das nicht", sondern zu inspirieren und zu sagen "ihr habt alle Macht, in dem wie ihr sprecht, wie ihr euch weiterbildet, was ihr in eurem Alltag macht".
Stanic erklärt die Diskriminierungspyramide, bei der sich Vorurteile auf Stereotype stützen und diese schließlich in Diskriminierungen bis zu rassistisch motivierten Morden wie in Hanau gegen Menschen mit Migrationsgeschichte oder in Nürnberg durch den NSU enden können.
"Das Ziel ist, Vorurteile abzubauen, Stereotype anzuschauen, alles aus den Schubladen rauszuholen und das zu hinterfragen, sodass es gar nicht zu Diskriminierungen kommt", so Stanic.
Der Workshop setzt also auf der ersten Stufe der Pyramide an, bei den Stereotypen. Die Schülerinnen und Schüler erfahren außerdem, an wen sie sich wenden können, wenn sie Diskriminierungen erfahren oder beobachten.
Wie fühlt sich Diskriminierung an?
Dass die Formulierung "Ich habe gehört, dass Afrikaner immer gut singen und tanzen können. Mach das doch mal vor", die eine Person mit dunkler Hautfarbe zu hören bekommt, kein Kompliment ist, sondern eine verletzende Alltagsdiskriminierung, erklärt Stanic anhand eines Rollenspiels. Die Schülerinnen und Schüler sollen erfahren, wie sich Diskriminierungen anfühlen können, nämlich "wie Nadelstiche", so Stanic. Sie erklärt, wie hier Menschen ihre Individualität genommen wird und sie aufgrund einzelner äußerer Merkmale beurteilt werden.
Die Workshops werden immer in Zweierteams gehalten, von einer Person mit Migrationsbiografie und einer ohne, erklärt Stanic. Zur Unterstützung wünschen sich die Teamerinnen vor allem noch Menschen ohne Migrationsbiografie, am liebsten Männer, denn männliche Teamer sind derzeit Mangelware. "Es ist was ganz anderes, wenn ein Mann sagt 'es ist nicht in Ordnung, sexistische Witze zu machen' als wenn das jetzt nur zwei Frauen sagen; das wird ganz anders wahrgenommen", erklärt die angehende Psychologin.
Workshops nicht fest in Lehrplan
Die Antirassismus-Workshops sind nicht verpflichtend im Lehrplan verankert. Engagierte Lehrkräfte und Respect-Coaches buchen die Workshops von "we integrate". In diesem Fall war es Irina Braun, die als Respectcoach an der Münchner Schule tätig ist. Themen wie politische Bildung, Antidiskriminierung und soziales Miteinander kämen zu kurz, sagt die studierte Sozialpädagogin, wenngleich sich die Situation in den vergangenen Jahren verbessert habe.
"Ich würde mir wünschen, dass unsere Workshops fest im Lehrplan verankert werden, dass sich da einfach strukturell auch was ändert, sonst bleibt das so ein freiwilliges Ding",
bilanziert Stanic. "Schließlich geht es um Sensibilisierung". Das große Ziel der Gesellschaft müsse sein, "dass auch die, die nicht betroffen sind, aufstehen und für Gleichberechtigung und Fairness einstehen".