Erst denken, dann reden: Den Satz aus der Erziehungs-Mottenkiste dürfte sich der grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck gern auf seinen Küchentisch schreiben. Mitte Januar hatte er sich mit unfertigen Äußerungen über Sozialabgaben auf Kapitalerträge als Watschenmann im Wahlkampf angeboten – eine Steilvorlage, die die politische Konkurrenz dankend nutzt. Seither ist diese Debatte einseitig geprägt vom Bild des "kleinen Sparers", der um seine mickrigen Aktienerträge bangen müsse und um sein ganzes Sparschwein obendrein.

Derweil haben sich beim Weltwirtschaftsgipfel im Schweizer Skiort Davos ein paar der "großen Sparer", um die es eigentlich ginge, zu Wort gemeldet: 370 Millionäre und Milliardäre brachten in einem offenen Brief ihre Sorge zum Ausdruck, dass – siehe Tech-Milliardär Elon Musk in den USA – "extremer Reichtum eine Gefahr für die Demokratie" ist. Der Vorschlag der Multis: mehr Steuern auf große Vermögen. 

Damit zeigen manche Superreiche mehr Bereitschaft zum Abgeben, als ihnen Politiker hierzulande zutrauen. Eine Vermögenssteuer wird in Deutschland seit 1997 nicht mehr erhoben; die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Neubewertung von Immobilien wollte man damals lieber nicht anpacken. Und sobald jetzt jemand die V-Frage stellt, ziehen alle die Luft durch die Zähne: lieber nicht, sonst droht der Exodus der Superreichen.

Angesichts der vielen gesellschaftlichen Herausforderungen ist es dringend nötig, alle nach ihren Kräften zu beteiligen

Ein Blick zurück: 1996 hatte die Vermögenssteuer dem Staat rund 4,6 Milliarden Euro (damals noch 9 Milliarden Mark) in die Kasse gespült. Heute könnten es Schätzungen zufolge 10 bis 20 Milliarden Euro sein. Peanuts im Vergleich mit den Sondervermögen für Verteidigung, Infrastruktur, Gesundheit oder Bildung, die Politiker aller Couleur gern wie Wolkenkuckucksheime in die Debatten-Landschaft hängen. Aber zusammen mit den jährlich etwa 100 Milliarden Euro, die dem Staat zusätzlich durch Steuerhinterziehung und "Steuergestaltung" (auch eher ein Thema der Großanleger) durch die Lappen gehen, eine relevante Summe. 

Warum sich der Staat das leistet, ist rätselhaft. Denn es ist angesichts der vielen gesellschaftlichen Herausforderungen dringend nötig, alle nach ihren Kräften zu beteiligen – dass viele reiche Menschen dazu bereit sind, zeigen Äußerungen wie die von Davos. 

Eine Vermögenssteuer hat mit Neiddebatten nichts zu tun. Wer viel hat und kann, der sollte auch viel geben – für sich und auch für jene, die nicht so gesegnet sind. Aber vielleicht ist das ja auch nur noch ein Gedanke aus der Mottenkiste. 

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