Schnäppchen jagen und selber backen: Siglinde Baiers (Name geändert) Alltag hat sich in den letzten beiden Jahren deutlich verändert. Die Rentnerin aus München kommt mit ihrem Geld beim Wocheneinkauf kaum noch hin. "Bevor ich einkaufen gehe", sagt die 79-Jährige, "schaue ich mir genau die Sonderangebote der Supermärkte in der Umgebung an." Sie sei auf Rabattaktionen angewiesen. Neulich hat sie sich über den Butterpreis gewundert: 2,33 Euro habe sie für ein halbes Pfund bezahlt: "Dabei war das doch schon ein Sonderangebot."
Verena Bentele, Vorsitzende des Sozialverbands VdK, warnt:
"Rentnerinnen und Rentner, die nur wenig Geld zur Verfügung haben, kommen angesichts der hohen Lebensmittelpreise an ihre Grenzen. Eine gesunde Ernährung ist kaum möglich, viele sind froh, wenn sie am Ende des Monats überhaupt noch etwas Warmes auf dem Teller haben."
Zu dieser Gruppe gehört auch Siglinde Baier. Für ihre Zweizimmerwohnung im Stadtteil Waldtrudering mit einer Fläche von 52 Quadratmetern zahlt sie 900 Euro warm - bei einer Rente von 1.233 Euro. Sie leidet seit Jahrzehnten an Multipler Sklerose und wurde früh arbeitsunfähig. Mit den Bezügen aus der Grundsicherung im Alter, der Sozialhilfe für Senioren, bleiben ihr nach eigenen Worten rund 550 Euro pro Monat zum Leben.
Altersarmut ist ein nicht zu übersehendes Phänomen. 4,2 Millionen Rentner sind in Deutschland betroffen und noch viel mehr sind von Altersarmut bedroht. 13,3 Millionen Senioren bekommen eine Bruttorente von unter 1.200 Euro, berichtet der Paritätische Wohlfahrtsverband.
Nach Angaben des Statistischen Landesamtes in Bayern zahlten die Verbraucher im August 2024 für Butter 41 Prozent mehr als 2020. Ein geringes Angebot treffe auf rege Nachfrage, auch bedingt durch das anlaufende Weihnachtsgeschäft bei Backwaren. Außerdem gebe es immer weniger Milchkühe im Land - und der Import sei zurückgegangen, lautet die Erklärung für die Teuerung.
Ursächlich verantwortlich für die allgemeine Preissteigerung sei der Krieg in der Ukraine. So stieg nach Angaben des Statistischen Bundesamts zwischen Dezember 2021 und Dezember 2022 der Preis von Sonnenblumenöl um 77,5 Prozent, von Zucker um 65 Prozent und von Käse und Quark um 39,9 Prozent.
Das schlägt sich auch in Bäckereien und Konditoreien nieder. Für Siglinde Baier ist deshalb klar: "Ich verkneife mir den Kuchen." Stattdessen brüht sie sich den Kaffee zu Hause auf und backt selber. "Für das, was ich im Café zahle, kann ich mir ein ganzes Päckchen Kaffee kaufen", lautet ihre Rechnung. Überhaupt: Essengehen ist für die Rentnerin weitgehend tabu: "Das mache ich nur noch ganz, ganz selten."
Altersarmut: Teuerung und Inflation
Dass es in Cafés und Restaurants teurer geworden ist, bestätigt auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband. Eine Umfrage des Verbands unter seinen Mitgliedern ergab für das erste Quartal 2024 nicht nur teurere Lebensmittel (plus 16,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal) und Getränke (plus 12,2 Prozent). Auch Dienstleistungen hätten sich verteuert. Das Personal erhalte im Schnitt 13,9 Prozent mehr Geld. Und auch Eigentümer verlangten 6,4 Prozent mehr Pacht.
Siglinde Baier geht nicht zur Tafel. Stattdessen sieht sie sich im Supermarkt nach reduzierten Waren um, deren Haltbarkeit kurz vor dem Ablauf steht: "Da gibt es 30 Prozent Rabatt." Und sie wird vom Verein "Ein Herz für Rentner" unterstützt, etwa wenn besondere Ausgaben anstehen.
Der Verein hilft seit 2016 bundesweit bedürftigen Senioren. "Manche haben am 20. des Monats noch zehn Euro im Geldbeutel, das reicht nicht für Medikamente oder Lebensmittel", weiß Vorständin Sandra Bisping. Die Teuerung bei Lebensmitteln treffe die Bezieher der Grundsicherung im Alter schwer. Der Verein hilft mit Lebensmittelgutscheinen oder auch einer Obst- und Gemüsebox, die alle zwei Wochen geliefert wird. Und er vermittelt Patenschaften von Spenderinnen und Spendern. Dadurch werden Bedürftige mit 38 Euro im Monat finanziell unterstützt.
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