Endlich. Nach mehr als 450 Tagen Krieg sollen ab kommenden Sonntag die Waffen schweigen. So sieht es das Waffenstillstandsabkommen zwischen Israel und der Hamas vor, das in den vergangenen Tagen unter Vermittlung von Katar, Ägypten und den USA unter Dach und Fach gebracht werden konnte. 

Für die Menschen in der kriegsgebeutelten Region ist das eine gute Nachricht: Die Menschen in Gaza können wieder ohne Angst vor Drohnen- und Raketenangriffen leben. Die Familien der israelischen Geiseln können ihre vermissten Angehörigen bald wieder in die Arme schließen. Die Jubelfeiern in Gaza und Israel nach Bekanntwerden der Einigung zeigen eindrucksvoll, wie groß die Erleichterung bei vielen Menschen ist. 

Waffenstillstand: Freude, aber auch Skepsis, Trauer und Wut

Natürlich mischt sich in die Freude auch Skepsis. Wird der Waffenstillstand nach mehreren vergeblichen Anläufen diesmal wirklich kommen? Und wie lange wird er halten?

Auch Trauer und Wut sind nicht vergessen. Die Palästinenser in Gaza haben Zehntausende Tote und Verletzte zu beklagen. Ihre Städte liegen größtenteils in Schutt und Asche und müssen wieder aufgebaut werden. Der Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober hat bei vielen Israelis alte jüdische Traumata wachgerufen. Diese Wunden heilen nicht einfach und schon gar nicht schnell.

Eine dauerhafte Friedenslösung ist erst recht nicht in Sicht. Gut möglich also, dass die Freude über den Waffenstillstand bald wieder in Frust über den nächsten Waffengang umschlägt.

Und doch ist es zumindest ein kurzer Moment der Hoffnung, den gerade wir hier im sicheren Deutschland den Menschen vor Ort gönnen sollten. Die Erleichterung, die viele Betroffene derzeit empfinden, können wir nur schwer nachvollziehen. 

Wir sollten auch nicht vergessen, dass dieser Waffenstillstand schon viel früher hätte erreicht werden können. Zehntausende Palästinenser könnten noch leben, die israelischen Geiseln längst zu Hause bei ihren Familien sein. Denn der Plan, auf den sich Israel und die Hamas erst jetzt geeinigt haben, lag schon seit Mai 2024 auf dem Tisch. 

Trump soll starken Druck auf Netanjahu ausgeübt haben

Was war diesmal anders, was gab den Ausschlag für die späte Einigung? Israelische Medienberichte deuten darauf hin, dass es vor allem ein Faktor war, der unser Weltbild ein wenig ins Wanken bringen könnte. So berichtet die "Times of Israel", dass der designierte US-Präsident Donald Trump über seinen neuen Nahost-Beauftragten erheblichen Druck auf den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu ausgeübt habe. 

Zuvor hatte dieser, ebenfalls laut israelischen Medienberichten, immer wieder dafür gesorgt, dass bereits fast beschlossene Waffenstillstandabkommen doch nicht zustande kommen konnten. Sein rechtsradikaler Minister Itmar Ben Gvir hat sich gerade stolz damit gebrüstet, die restliche Regierung dabei vor sich hergetrieben zu haben. 

Zwar verweisen einige Beobachter*innen auch auf die geschwächte Position der Hamas, die ebenfalls zum Zustandekommen des Deals beigetragen haben soll. Doch deren Anführer Yahya Sinwar wurde bereits vergangenen Oktober getötet. Es spricht also tatsächlich viel dafür, dass Trumps Einsatz sehr wichtig, womöglich entscheidend war.

Die Motive des kommenden US-Präsidenten mögen nicht ehrenhaft gewesen sein. Vermutlich wollte er das unangenehme Thema vor seiner Vereidigung am kommenden Montag einfach vom Tisch haben. Schon früh hatte er durchblicken lassen, dass ihm die mediale Wirkung der Kriegsführung des US-Verbündeten nicht gefiel.

Und doch sieht es nach derzeitigem Kenntnisstand so aus, als habe ausgerechnet Trump das erreicht, was die demokratische US-Regierung unter Joe Biden zwar immer versprochen, aber offenbar nie mit den zweifellos vorhandenen Druckmitteln entschlossen durchgesetzt hat.

Gut und Böse sind keine politischen Kategorien

Wenn es wirklich so war, dann ist es auch eine Mahnung und Erinnerung: Politik, zumal internationale Politik, lässt sich nur sehr schwer in Kategorien wie Gut und Böse fassen. Letztlich gibt es nur Interessen und unterschiedliche Möglichkeiten, diese durchzusetzen. So kann ein Präsident, der im eigenen Land Freiheit und Demokratie bedroht, in anderen Regionen durchaus Ergebnisse erzielen, die viele Menschenleben retten. 

Den Menschen vor Ort, ob im Gazastreifen oder in Israel, kann es herzlich egal sein, ob Trump dabei von hohen moralischen Motiven oder niederen Instinkten getrieben war. Entscheidend ist, dass nun hoffentlich bald die Waffen schweigen.

Denn bei allen Schwierigkeiten und Problemen, die trotz des Waffenstillstands bleiben werden: Es ist zumindest ein kleiner Hoffnungsschimmer in dieser dunklen Zeit. 

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