Lea Croner ist an diesem ruhigen Nachmittag die einzige Kellnerin. Sie trägt einen selbstgemachten Eiskaffee zu einem Gast, der mit einer Zeitung in der Hand im Innenhof des Cafés sitzt. Die 24-Jährige hat eine geistige Behinderung - doch davon lässt sie sich nicht von ihrer Arbeit abhalten.

"Es war alles neu für mich. Ich musste mir viel zeigen und erklären lassen."

Besonders das Bedienen und der Austausch mit den Gästen bereite ihr Freude.

Lea Croner hatte zuvor in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung gearbeitet. 2019 machte sie ein Praktikum im Café Karl - ein erfolgreiches Praktikum. Als im Café eine Stelle frei wurde, bekam Croner den Job. "Das ist bis jetzt der Arbeitsplatz, der mir am meisten Spaß macht", sagt sie. Nach einem langen Arbeitstag sei sie zwar müde, aber auch stolz. "Man gewöhnt sich daran, wenn man das öfter macht", sagt die Angestellte, die eine 35-Stunden-Woche hat.

Café Karl ist ein Sprungbrett

Nebenbei machte sie einen Gastronomie-Kurs der Industrie- und Handelskammer (IHK). Harald Eisner, zuständig für Presse & Marketing bei der Westmittelfränkischen Lebenshilfe Werkstätten GmbH, sagt:

"Bei Beginn einer richtigen Ausbildung kann der einjährige IHK-Kurs angerechnet werden. Darauf sind wir besonders stolz."

Das Café Karl wurde vor rund fünf Jahren gegründet. Gruppenleiterin Melanie Heubusch ist von Anfang an dabei. "Das hier ist ein Sprungbrett. Die Angestellten haben einen geschützten Rahmen durch mich", sagt sie. Die beiden ersten Mitarbeiter hätten es durch das Café Karl auf den freien Arbeitsmarkt geschafft - in eine Bäckerei und in einen Supermarkt. "Die beiden waren richtige Leistungsträger. Zum Glück sind sie nicht gleichzeitig gegangen", sagt Heubusch.

Nach Corona Schwierigkeiten, wieder in Routine zu kommen

Vor allem Arbeit unter Stress sei eine Herausforderung für die aktuell fünf Mitarbeitenden mit geistiger Behinderung. "Besonders nach Corona hatten viele Schwierigkeiten, wieder in ihre Routine zu kommen", erinnert sich Heubusch. Eine feste Struktur tue den jungen Menschen gut. Auf den ersten Blick erkennen neue Gäste nicht, dass das Café Karl ein Inklusionsbetrieb ist: "Die Leute sollen hierherkommen, weil es ihnen gefällt und sie sich wohlfühlen", sagt Heubusch.

"Inklusion bedeutet schließlich, dass Menschen integriert werden."

Laut der Bundesarbeitsgemeinschaft für Inklusionsunternehmen (BAG IF) gab es im Jahr 2020 pro einer Million Einwohner fast 300 Arbeitsplätze in Inklusionsunternehmen. 18 Prozent davon sind der Gastronomiebranche rund um Kantine, Catering, Cafés und Restaurants zuzuordnen.

Gelebte Inklusion

Auch Tanja Rudolph vom Café Miteinand in Bad Tölz weiß, dass gelebte Inklusion dort anfängt, wo Menschen mit und ohne Behinderung aufeinandertreffen. "Wir sind ein normales Café, in dem die Gäste ein selbstgemachtes Frühstück genießen und eine gute Zeit haben können", sagt sie. Zu einem richtigen Inklusionscafé fehlen der Einrichtung noch die richtigen Räumlichkeiten.

Das Café, das nur donnerstags geöffnet hat, bietet aktuell neun Schülerinnen und Schülern der Lebenshilfe Bad Tölz einen Einblick ins Arbeitsleben. "Die Jugendlichen können sich hier ohne Druck ausprobieren", sagt Rudolph. Besonders unter Stress machen die Angestellten Fehler, die ihnen hier verziehen werden:

"Manchmal kommt das Essen dann zum falschen Gast oder die Tischnummern werden vertauscht."

Vorurteile oft vorhanden

Sie werde oft mit Vorurteilen konfrontiert. "Den Jugendlichen wird teilweise abgesprochen, eine Leistung erbracht zu haben, nur weil sie langsamer sind." Sobald die Gäste erfahren, dass hier Menschen mit geistiger Behinderung arbeiten, reagieren sie verständnisvoller.

Tina Gerdes, Referentin für Leben mit Behinderung beim Sozialverband VdK Bayern, sagt auf Anfragen des Sonntagsblatts: "Für alle Menschen ist es toll, nicht nur einen Beruf zu haben, sondern auch eine Berufung. Die Freude an der Tätigkeit in Inklusionscafés ist bei vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern spürbar. Daher sind diese Cafés auch so beliebt." Der Sozialverband VdK stehe hinter allen Projekten, in denen Inklusion gelebt und umgesetzt wird.

Für viele Menschen mit Behinderung, wie Lea Croner, seien Projekte dieser Art eine Chance, auf dem Arbeitsmarkt integriert zu werden.

"Inklusionscafés sind ein wichtiger Schritt, um Berührungsängste in der Gesellschaft abzubauen",

sagt Tanja Rudolph.