Endlich ergibt der Begriff "Gender-Gaga" Sinn: Im Freistaat Bayern ist es seit gestern verboten, zu gendern. Jedenfalls an Schulen und Universitäten sowie in Behörden. Redaktionen bleiben zumindest vorerst noch verschont, weswegen ich in diesem Text noch völlig legal gendergerechte Formulierungen verwenden kann (sprachlich unsauber oft als 'Gendersprache' bezeichnet).

Aber mal im Ernst: Diese Entscheidung der bayerischen Landesregierung ist hochgradig albern. Zunächst einmal, weil sie vorgeschobene Argument der Gegner*innen gendergerechter Sprache, eine angebliche Sprachpolizei erlasse Sprechverbote, komplett ad absurdum führt. Es ist nun offensichtlich, wer in diesem von einigen hochemotional geführten Gezerre um Sprache wirklich zu autoritären Mitteln greifen muss.

Sprache ändert sich nicht durch Anordnungen von oben

Außerdem: Sprache verändert sich nicht einfach durch Anordnungen und Verbote von oben. Sie entwickelt sich, beeinflusst von vielen Faktoren. Ein wichtiger sind gesellschaftliche Machtverhältnisse. Und im selben Maße, wie diese sich aktuell verschieben, wird sich auch die Sprache anpassen.

Das generische Maskulinum ist toter als tot, weil es der gesellschaftlichen Realität längst nicht mehr gerecht wird. Seine Fans bejubeln einen sprachlichen Kadaver, der auch durch Verbote nicht wieder lebendig wird.

So wie man die Wolken nicht aufhält, indem man Schilder aufstellt, wird auch der Beschluss der bayerischen Regierung den Lauf der Dinge beziehungsweise der Sprache nicht aufhalten. Unsere Gesellschaft ist längst weiter. Vielen Menschen ist gendergerechte Sprache zwar relativ egal.

Das zeigen Umfragen, die von Kulturkämpfer*innen (und unsauber arbeitenden Medien) dann gerne umgedeutet werden: Eine überwältigende Mehrheit sei gegen das Gendern. Nö. Eine überwältigende Mehrheit der Deutschen hat einfach andere Probleme als gendergerechte Sprache.

Mehrheit der Deutschen hat andere Sorgen

Um sprachliche Veränderungen durchzusetzen, braucht es übrigens auch keine absoluten Mehrheiten. Nur einen gesellschaftlichen Grundkonsens, der anerkennt, dass es nicht mehr zeitgemäß ist, männliche Formen als vermeintlichen Normalzustand zu behandeln, von dem es Abweichungen gibt. 

Ob sich letztlich Sterne, Doppelpunkte, sonstige Sonderzeichen oder ganz andere Lösungen für dieses Manko durchsetzen, ist dabei völlig offen. Das hängt von diversen Faktoren ab. Verbotsbeschlüsse bayerischer Staatsregierungen sind aber keiner davon.

Deswegen sollte sich auch niemand, der sich mehr gendergerechte Sprache wünscht, über das Verbot empören. Letztlich ist es eine Posse, die nur zeigt, wie verunsichert manche sich an Althergebrachtes klammern anstatt offen und mutig auf Veränderungen zu reagieren. 

Kommentare

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Anne Oberg am Mo, 01.04.2024 - 18:22 Link

Jede Woche ärgert es mich, dass ich von Ihnen mit " Liebe Sterncheninnen" angeredet werde, denn unter " Liebe Leser" falle ich augenscheinlich nicht mehr. Schade! Das war so einfach und gut zu lesen, während das Sterchen, das eigentlich eine Anmerkung ankündigt, immer ein Ärgernis beim Lesen darstellt. Warum nicht "Liebe Leser, liebe Leserinnen" ? das wäre immerhin ein Kompromiss. Beste Grüße A. Oberg

Snake999 am So, 24.03.2024 - 13:37 Link

"Eine überwältigende Mehrheit sei gegen das Gendern. Nö. Eine überwältigende Mehrheit der Deutschen hat einfach andere Probleme als gendergerechte Sprache."
Darf ich bitte die Quelle der entsprechenden Studie bzw. Umfrage erfahren, dass die Deutschen in der Mehrheit das Gendern nicht ablehnen sondern "andere Sorgen" haben ?
Ich kann diese nicht finden. Somit ist diese Behauptung des Autors lediglich der durchschaubare untaugliche Versuch eines links-grünen Haltungsjournalismus, der sachlich knallhart bekämpft werden wird.
Ansonsten, siehe hier:
https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/id_100297052/gendern-80-pr…
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1120925/umfrage/umfrage-…
https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/mdrfragt-umfrag…
https://www.stern.de/gesellschaft/gendern--grosse-mehrheit-der-deutsche…

Oliver Marquart am Mo, 25.03.2024 - 09:52 Link

Sie haben den Beleg selbst verlinkt: Statista: Mehrheit findet Gendern unwichtig

Seriöse Untersuchungen ergeben stets dieses Bild: Vorherrschend ist Desinteresse. Einige Medien machen daraus 'Ablehnung', was natürlich spannender klingt, inhaltlich jedoch falsch ist. 

Und bitte, Civey-Umfragen sollten mit großer Vorsicht (oder am besten gar nicht) genossen werden: Landgericht Hamburg zweifelt an der Civey-Methode (FAZ) Nicht umsonst hat sich der "Spiegel" von dem Institut getrennt.