Kein Licht, nirgends. Dauerzustand: dunkel. Ein Sog in die Tiefe der Traurigkeit, dem selbst die stärksten Männer hilflos ausgeliefert sind. Die Bibel wählt für diesen Seelenzustand die Bezeichnung "böser Geist". Solch eine mythische Macht bedrängte Saul, den ersten König Israels. Dessen Geschichte trage die existenzielle Tiefe griechischer Tragödien, befand der Alttestamentler Gerhard von Rad. Warum? Weil die Lebensgeschichten zweier Kinder Sauls - Tochter Michal und Sohn Jonatan - untrennbar mit seinem Schicksal als gottverlassenem König verwoben sind.

Die Salbung Sauls zum "Fürsten des Herrn"

Vorgestellt wird Saul als "junger, schöner Mann und es war niemand unter den Israeliten so schön wie er, eines Hauptes länger als alles Volk". Er war Sohn des Kisch, eines angesehenen Herdenbesitzers, der in den Bergen nördlich Jerusalems lebte. Eines Tages bemerkt Kisch, dass Eselinnen entlaufen sind; er schickt Saul mit einem Knecht los, sie zu suchen. Die beiden finden sie nicht. Aber sie treffen einen Propheten, der sich in der Nähe aufhält. Dieser "Mann Gottes" heißt Samuel und hatte seinerseits von Gott den Auftrag erhalten, Saul zum "Fürsten des Herrn" zu salben. So geschieht es. Einigermaßen verdutzt fügt sich Saul in sein Schicksal. Wenig später stellt Prophet Samuel dem Volk Saul als ersten König Israels vor.

Ob vom biblischen Verfasser beabsichtigt oder nicht: Dass von Sauls Vater Kisch von nun an nicht mehr die Rede ist, legt eine Deutung nahe. Gott hatte den erwachsenen Sohn aus der elterlichen Sippe gerissen. Was Gott mit Saul vorhatte, übertraf die familiären Bande. Einmal nur hatte Saul zurückgedacht an seinen Vater, sorgenvoll sogar - dann hatte er quasi abgeschlossen mit ihm.

Es ist dasselbe Motiv, das sich im Matthäus-Evangelium (19, 29) findet, wo Jesus sagt: "Wer Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Kinder oder Äcker verlässt um meines Namens willen, der wird´s hundertfach empfangen und das ewige Leben ererben." Manchmal ist offenbar ein radikaler Schnitt unabdingbar, um die eigene Berufung zu erkennen. So wie bei Saul, der vom Herdenbesitzer aus dem "Hotel Papa" in das gottbegnadete Königsamt gerufen wurde.

Bei seiner Wahl zum König "jauchzte das ganze Volk und sprach: Es lebe der König!". (1. Samuel 10, 24) Doch über Erfahrungen als Regent und Heerführer verfügte er nicht. Und so kam es, dass er schon bald schwere Niederlagen hinnehmen musste und sogar von Gott als König verworfen wurde. Gott hatte ihm befohlen, die feindlichen Amalekiter zu vernichten, doch Saul ließ den Amalekiterkönig Agag am Leben. Das erzürnte Gott so sehr, dass er Saul als König verwarf.

Unfähiger König, unfähiger Vater?

Statt Verantwortung zu übernehmen und sich doch noch würdig zu zeigen, verfiel Saul daraufhin in Depressionen. Um seine Stimmung zu bessern, suchten seine Leute nach jemandem, der ihm sein Gemüt mit Musik aufhellen könnte und fanden David.

Und "sooft nun der böse Geist von Gott über Saul kam, nahm David die Harfe und spielte darauf mit seiner Hand. So wurde es Saul leichter und es ward besser mit ihm und der böse Geist wich von ihm". (1. Samuel 16, 23)

Musik ist ein Heilmittel gegen Depressionen. Die biblische Depressionsgeschichte des Saul klingt auch nach dem Abstand von 3000 Jahren sehr modern. Sowohl in der Schilderung der Symptome als auch in der Form der Therapien. Medizinische Studien belegen, dass Musik hilft. "Musik kann Veränderungen im Hirn auslösen, die über andere Wege nicht gelingen", meint zum Beispiel die Salzburger Forscherin Vera Brandes. Messbare Folgen sind die Ausschüttung von Glückshormonen, Veränderung der Muskelaktivität und der Körpertemperatur sowie des Blutdrucks und von Herzfunktionen.

In altisraelitischen Zeiten waren diese Zusammenhänge nicht bekannt. Die Wirkung allerdings schon. Der depressive Saul war seinem Musiktherapeuten David sehr dankbar. Er ernannte ihn sogar zum Heerführer.

Konkurrenz zwischen Saul und David

Damit sorgte Saul jedoch für neue Betrübnis. Denn als David erfolgreich wurde und viele Siege erlangte, wuchs in Saul die Eifersucht. Im Volk schienen die Sympathien auf den jungen erfolgreichen David zu schwenken. Da wuchs ein ernstzunehmender Konkurrent für den Thron heran.

Die Eifersucht wuchs ins Unermessliche, als Sauls Kinder Kontakt zu David aufnahmen. Saul war Vater dreier Söhne: Jonatan, Jischwi, Malkischua - und zweier Töchter: der erstgeborenen Merab und Michal. Die jüngere nun "hatte David lieb".

Saul willigt in die Heirat ein, allerdings aus niederen Motiven. Er hofft, dass sie David "zum Fallstrick" werde. Denn als Bedingung für die Eheschließung erbat Saul einen hohen und vermeintlich tödlichen Brautpreis von David: Hundert Vorhäute der feindlichen Philister soll er bringen. Für den forschen und kampferfahrenen David kein Problem - er bringt zweihundert. Saul muss sein Versprechen einhalten und gibt ihm seine Tochter zur Frau. Innerlich jedoch verbittert Saul nun vollends, "David wurde sein Feind sein Leben lang".

Michal schütz David von ihrem Vater

Der Vater Saul hatte sich in eine scheinbar ausweglose Situation bugsiert, die seine Depressionen verstärkten. Die eigene Tochter war mit seinem Konkurrenten liiert. Gleichzeitig nahm Saul das heilende Harfenspiel Davids weiter in Anspruch. Sauls Seele war jedoch so verbittert, dass er beim Vorspiel Mordfantasien hegte. Einmal warf er sogar mit einem Spieß nach dem musizierenden David, ein anderes Mal schickte er Helfer, die David umbringen sollten. Sauls Tochter Michal warnt und beschützt ihren Mann vor den väterlichen Killern.

Saul muss weiter leiden, seine Vatergefühle geraten in einen noch größeren Strudel. Ein weiteres Kind befreundet sich mit David: Jonatan. Auch er versucht, David vor den Attacken des Vaters zu schützen. Mit Erfolg. Saul kann die Loyalität seines Sohnes mit David nicht ertragen und beschimpft ihn maßlos: "Du Sohn einer ehrlosen Mutter! Ich weiß sehr wohl, dass du den Sohn Isais erkoren hast, dir und deiner Mutter, die dich geboren hat, zur Schande!" Er befiehlt ihm, David zu holen. Als Jonatan sich weigert, versucht Saul, den eigenen Sohn zu töten.

Die Unzufriedenheit mit sich selbst wollte bis zum Ende nicht von Saul weichen. Verzweifelt wandte er sich sogar an eine Totenbeschwörerin, die für ihn Kontakt zum toten Vorgänger Samuel aufnehmen sollte. Doch auch dort wurde er wieder nur an sein einstiges Versagen und Gottes Zorn erinnert. Außerdem sagte ihm die Totenbeschwörerin eine Niederlage gegen die Philister und seinen Tod voraus. Der kommt auf grausame Weise. Erst sterben Sauls drei Söhne auf dem Schlachtfeld. Dann umzingeln die Gegner Saul. Er befiehlt seinem Waffenträger, ihn zu töten - doch der verweigert den Befehl. Saul bleibt keine andere Möglichkeit, als sich selbst zu erstechen: Er "nahm das Schwert und stürzte sich hinein". Im Tod sind Vater und Sohn miteinander vereint.

David beweint beide und stimmt ein Klagelied an:

"Die Edelsten in Israel sind auf deinen Höhen erschlagen. Saul und Jonatan, beliebt und einander zugetan, im Leben und im Tod nicht geschieden." (2. Samuel 1, 19ff.)

Die Geschichte eines Versagens?

Sauls Geschichte klingt wie ein einziges Versagen und lässt vermuten, Gott hätte ihn tatsächlich völlig verworfen. Möglicherweise erzählt die biblische Geschichte das Geschehen vor allem aus Sauls eigener depressiv gefärbter Sicht.

Saul hatte das Gefühl, versagt zu haben, militärisch und als Vater. Seiner Empfindung nach hatten sich seine Kinder gegen ihn gestellt. Das Gefühl, ein Versager zu sein, hat ihn offenbar zeitlebens nicht losgelassen. Anstatt sich mit sich selbst und mit Gott auseinanderzusetzen, suchte er die Schuldigen in seinem Umfeld: David. Michal. Jonatan. Saul konnte nicht erkennen, dass alle drei es gut mit ihm meinten. Seine Seele war so verdunkelt, dass er die Liebe und Hilfsangebote seiner Kinder nicht erkennen konnte.

Ausstellung "Bibel meets Pop"

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