Die Welt ist voller Täuschungen. "Als junger Student war ich noch der Meinung, die menschliche Wahrnehmung funktioniert - bis auf ein paar nette, bekannte Sinnestäuschungen - ganz gut", sagt Rainer Wolf. Inzwischen sieht er das durchaus anders:
"Wir täuschen uns permanent."
Nicht bewusst, aber unbewusst. Und diesen Täuschungen geht Wolf gerne auf den Grund - zusammen mit den anderen Mitgliedern der Würzburger "Skeptiker", einer von mehr als zehn regionalen Gruppen der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP).
Skeptiker sind kein Sportverein
Die Würzburger "Skeptiker" treffen sich in der Regel einmal pro Monat zu einer Art Stammtisch. Den organisiert seit diesem Jahr Sarah Wolff. "Mit einem Sportverein kann man uns jetzt nicht so richtig gut vergleichen", findet Rainer Wolf, der die Stammtische bis zu seiner Pensionierung 2006 mit organisiert hat und heute als Mitglied noch regelmäßig daran teilnimmt.
Bei diesen Treffen gibt es regelmäßig Vorträge - oder es wird über parawissenschaftliche Phänomene diskutiert. Ein Highlight sind die alle zwei Jahre stattfindenden internationalen Treffen - heuer soll es in Wien zustande kommen.
Parawissenschaften: Irgendwo zwischen echter und Pseudo-Wissenschaft
Parawissenschaften, das klingt erst mal sehr seriös. "Sie siedeln im Grenzgebiet zwischen echten Wissenschaften und Pseudowissenschaften - also Scheinwissenschaften, die sich wissenschaftlich geben, aber in Wirklichkeit echten Unsinn verbreiten", erläutert Wolf. Er hält parawissenschaftliche Phänomene für äußerst unwahrscheinlich:
"Homöopathie, Kinesiologie, Wünschelrutengehen - alles derzeit nicht wissenschaftlich bewiesen."
Aber es bestehe die unwahrscheinliche Möglichkeit, dass irgendwann jemand eben solche Dinge unter wissenschaftlichen Testbedingungen beweise.
Skeptiker loben 10.000 Euro Preisgeld aus
Solche Bedingungen gibt es bei den Psi-Tests, die von den "Skeptikern" in Würzburg regelmäßig organisiert werden. Biologe und Wahrnehmungsforscher Wolf ist schon viele Male als Versuchsleiter dabeigewesen. Dutzende Teilnehmer wollten ihre Fähigkeiten als Hellseher, ihre kinetischen Kräfte oder auch ihre Wünschelruten-Expertise unter Beweis stellen - und dann das von den "Skeptikern" ausgelobte Preisgeld von 10.000 Euro abräumen. Bisher sind sämtliche Teilnehmer gescheitert.
Nur die allerwenigsten sahen danach ein, dass ihre angeblichen Fähigkeiten bloß Humbug sind:
"Viele haben uns vorgeworfen, wir hätten sie bei den Tests betrogen."
In der Sprache der Psychologie sind das "Shut-Eyes", also Menschen, die vor der Realität die Augen verschließen. Ursache für diese Unbelehrbarkeit, die "Glaubsüchtigkeit", sei der unwiderstehliche Drang zum Aberglauben - dies sei das tierische Erbe der Menschen, sagt Wolf. Dass irgendjemand um das Preisgeld betrogen wird, das sei ausgeschlossen, fügt er hinzu. Das garantierte der sogenannte doppelt verblindete Testaufbau. Das heißt, dass weder Proband noch Versuchsleiter den genauen Versuchsaufbau kennen können.
Verbietet wissenschaftsgeleitete Weltsicht Religiosität?
Die streng wissenschaftsgeleitete Weltsicht eines "Skeptikers" - verbietet sie quasi jede Religiosität? "Hinter Religionen stecken viele menschlich-verfälschte Sichten", findet Wolf. Das, was religiöse oder spirituelle Menschen als göttliche (All-)Macht bezeichnen, "das ist für mich die unumstößliche Welt der Naturgesetze".
Oder anders gesagt: Es seien unterschiedliche Erklärungsversuche für dieselben Phänomene. Er halte es "für vermessen zu denken, dass es eine göttliche Macht gibt, die sich um unser Wohlergehen kümmert", sagt Wolf. Demzufolge würde er sich "als Atheist" bezeichnen.
Querdenker*innen bereiten Wolf "mentale Schmerzen"
Geradezu mentale Schmerzen verursachen bei Wolf allerdings selbsternannte Querdenker. "Ohne phantasievolles, skeptisches Querdenken hätte es keine wissenschaftlichen Revolutionen gegeben", sagt der Wahrnehmungsforscher. Aber die heutigen "Querdenker" seien eben das genaue Gegenteil, nämlich "wissenschaftsfeindliche Dogmatiker".
Zu hoch würde er die Bedeutung solcher Gruppen aber auch nicht hängen:
"Die Bereitschaft, wissenschaftliche Erkenntnisse anzunehmen, die ist mal mehr, mal weniger ausgeprägt - das läuft in Wellenbewegungen ab."