Marcel Polte ist zuversichtlich. Der 42-jährige Anwalt aus dem Rhein-Main-Gebiet, der schon für viele Großkanzleien gearbeitet hat, will sich im August einem ganz besonderen Wettbewerb in Würzburg stellen. Dort lädt die sogenannte Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP), die sich kurz "Die Skeptiker" nennt, einmal pro Jahr zum Psi-Test. Dabei werden übersinnliche Fähigkeiten unter wissenschaftlichen Bedingungen getestet. Polte will dort seine telekinetische Begabung beweisen.
Polte ist im Zweitberuf Heilpraktiker für Psychotherapie, bietet in seiner Praxis Raucherentwöhnung oder Abnehmunterstützung unter Hypnose an. Daneben beschäftigt er sich mit "Remote Viewing", was man als "Hellsehen" übersetzen könnte: "Die physikalische Funktionsweise ist unklar, aber ›Remote Viewing‹ wird etwa von Geheimdiensten und dem Militär in den USA schon lange genutzt." Anfang 2017 sei er darauf gestoßen, dass er "gewisse Fähigkeiten" habe, nämlich auf mentalem Weg Objekte in Bewegung zu versetzen: Tele- oder Psychokinese. Polte meint, dass jeder solche Fähigkeiten habe, aber häufig nicht nutzen könne.
Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften
Polte hat ein Video ins Netz gestellt, das den Versuchsaufbau zeigt, mit dem er beim Psi-Test antreten und die 10 000 Euro Preisgeld abräumen will. Ein kleines Stück Folie oder Papier lagert beweglich auf einer Nadelspitze, über den Aufbau ist eine Glasvase gestülpt. "Damit Luftzirkulationen ausgeschlossen werden", sagt er. Mit der Kraft seiner Gedanken will er das Papier dann in Bewegung versetzen, also drehen lassen. Im Internetvideo sieht man genau das, doch die GWUP will unter Laborbedingungen Beweise sammeln. "Einen Versuch ist es wert", findet Polte. Auch wenn die Wettbewerbssituation für ihn Stress bedeute: "Und das ist hinderlich fürs Unterbewusste."
Der Würzburger Biologe und Wahrnehmungsforscher Rainer Wolf ist Psi-Test-Versuchsleiter und Mitglied im "Skeptiker"-Wissenschaftsrat. Für ihn ist etwas erst dann glaubwürdig, wenn es wissenschaftlich bewiesen ist. Homöopathie, Kinesiologie, Wünschelrutengehen – alles derzeit nicht wissenschaftlich bewiesen. Die GWUP erwarte nicht, dass sich etwas Übersinnliches bei den Psi-Tests beweisen lassen wird, aber sie ist offen dafür, sich unter Laborbedingungen eines Besseren belehren zu lassen: "Es geht nicht um Glauben, sondern um Wissen!" Die meisten bisherigen Teilnehmer seien, obwohl sie keinen Erfolg hatten, "keine Scharlatane", sondern waren von ihren angeblichen Fähigkeiten echt überzeugt.
Der menschliche Drang zum Aberglauben
Die Liste skurriler Vorhaben ist lang. Über 60 Kandidaten seien in den vergangenen Jahren gestestet worden – alle scheiterten. Einer wollte einen im Umkreis von 20 Kilometern verbuddelten Goldbarren mit einem Pendel und einer Landkarte wiederfinden, erläutert Wolf. Ein anderer war überzeugt, Sterne am Nachthimmel mit der Kraft seiner Gedanken verschieben zu können.
Alexander Moersdorf aus dem saarländischen Schmelz wird ebenfalls beim Psi-Test antreten – als Wünschelrutengänger. "Ich finde alles im Boden", sagt der 46-Jährige: "Ganz egal ob Wasser oder Strom, alles!" Der gelernte Straßenbaupolier hat sein "Talent" von einem italienischen Kollegen auf der Baustelle gelernt "und anschließend verfeinert". Moersdorf ist überzeugt, dass er "krebserregende Häuser" erkennen kann, gefährliche magnetische Strahlung und vieles mehr. Als Werkzeug benutzt er keine Rute, sondern einen Kreuzpickel: "Ich will beweisen, dass ich das kann. Ich will das im Hauptberuf machen."
Unheilbare "Glaubsüchtigkeit" - ein tierisches Erbe
Wolf verweist bei Wünschelruten auf den Carpenter-Effekt, also darauf, dass Wünschelruten bloß ausschlagen, weil der Rutengänger sich das unterbewusst wünscht. Schon viele Rutengänger haben beim Psi-Test ihr Können demonstrieren wollen, alle scheiterten. "Die meisten hielten weiterhin daran fest, übernatürliche Fähigkeiten zu besitzen", erläutert er: "Viele haben uns vorgeworfen, wir hätten sie bei den Tests betrogen." In der Sprache der Psychologie sind das "Shut-Eyes", also Menschen, die vor der Realität die Augen verschließen. Ursache für diese Unbelehrbarkeit, die "Glaubsüchtigkeit", sei der unwiderstehliche Drang zum Aberglauben – dies sei das tierische Erbe der Menschen.
Von allen Teilnehmern hatten bisher nur drei die Größe, nach den missglückten Versuchen einzusehen, dass ihre Fähigkeiten gar keine waren, sagt Wolf. Polte ficht das nicht an. "Das Problem ist doch: Bei diesem Psi-Test haben offenbar nur Menschen teilgenommen, die sich eingebildet hatten, Fähigkeiten zu haben, oder diese unter Erfolgsdruck nicht abrufen konnten", sagt der promovierte Jurist. Er hofft, mit diesen Störfaktoren besser umgehen zu können. Nach den diesjährigen Tests am 6. bis 8. August wird er es wissen.
"Sollte er es schaffen, dann sind unsere 10.000 Euro Preisgeld diese neue wissenschaftliche Erkenntnis und Beobachtung allemal wert", sagt Wolf.