"Weil es so üblich ist", sagen Eltern oft auf die Frage, warum sie ihr Kind taufen lassen wollen. Sie haben in vielerlei Weise Recht damit. Die Taufe ist eines der ältesten Rituale der Christenheit und geht auf Jesus zurück. Jesus selbst hat sich am Jordan von Johannes dem Täufer taufen lassen. Seinerseits hat er wohl nicht getauft, aber seinen Jüngern den Auftrag dazu gegeben:
"Geht hin und macht alle Völker zu Jüngern, tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie zu halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende" (Mt 28, 19-20)
Bis heute werden diese nach Matthäus letzten Worte Jesu bei fast jeder Taufe gesprochen. Die Taufe ist das Sakrament, das die Christen über die Zeiten und über die Konfessionen hinweg verbindet. Bei anderen theologischen Fragen wie z.B. dem Kirchenverständnis und dem Abendmahl sieht es anders aus, auch wenn es hier erfolgversprechende Annäherungsversuche zwischen den Konfessionen gibt. Die Formen der Taufe mögen verschieden sein, so wurden früher die Täuflinge ganz ins Wasser getaucht, die Größe alter Taufbecken zeugt davon. Auch die Baptisten und die orthodoxe Kirche praktizieren diese Art der Taufe.
Bedeutung der Taufe: Gottes Ja zum Menschen
Aber die Taufe als Sakrament ist seit Beginn der Christenheit unumstritten. Wenn Eltern sagen, sie lassen ihr Kind taufen, weil es so üblich sei, dann hat das weniger mit Konvention zu tun als mit einer Tradition, die älter als die Kirche ist. Was geschieht in der Taufe? Nach Emil Brunner ist sie "Wort Gottes für das Auge". In der Taufe wird Gottes Ja zum Menschen sichtbar gemacht. In einem Bild gesprochen: Taufen entspricht dem Vorgang, wenn man ein Blatt Papier mit einem Wasserzeichen gegen ein Licht hält. In dem Moment, in dem Licht durch das Blatt scheint, wird das Wasserzeichen sichtbar.
Das Ja Gottes ist also nicht etwas, was in der Taufe erst zum Menschen hinzukommt. Es ist vielmehr in seine Existenz eingewoben untrennbar, wie das Wasserzeichen zum Papier gehört. Gottes Ja ist mit dem Geschöpfsein geschenkt. "Wasser allein tut's nicht" schreibt Martin Luther im Kleinen Katechismus. In der Tat: Taufe ist mehr als ein schlichter symbolischer Akt.
Das Wasser, das Wort und der Glaube
Taufe ist ein Zeichen, das die Wirklichkeit verändert. Was braucht es dazu? Luther fährt fort:
"Wasser allein tut's nicht, sondern das Wort Gottes, so mit und bei dem Wasser ist, und der Glaube, so solcher Worte Gottes im Wasser trauet."
Es braucht also drei Dinge: das Wasser, das Wort Gottes und den Glauben. Das Wasser als sichtbares und fühlbares Zeichen steht für die erfrischende und reinigende Kraft der Taufe. Der Mensch darf sich als Getaufter wie neu geboren fühlen. Was ihn belastet, ist wie weggeschwemmt. Das ist eine Gabe des Heiligen Geistes, wenn nach Paulus in der Taufe die Sünden abgewaschen und nach Johannes der Mensch von Neuem geboren wird.
Nun macht die Taufe natürlich nicht zu einem reinen, makellosen Geschöpf. Es gilt stattdessen täglich den "alten Adam zu ersäufen", das einmal gegebene Ja Gottes immer wieder neu anzunehmen, gerade wenn man zu sich selbst eigentlich nein sagen möchte oder müsste. Zum Wasser muss das Wort hinzukommen. Es ist das Wort, das das Ja Gottes nachspricht und das deutet, was die Taufe an Verheißung in sich trägt.
Wie ist die Taufe zu deuten?
Schon in der Bibel sind eine Fülle von Deutungsmöglichkeiten angelegt: Taufe als Aufnahme in die Gemeinschaft der Gläubigen, als Aufnahme in die Gotteskindschaft, als Anteilhabe an Tod und Auferstehung Christi. Taufsprüche beziehen sich meist auf einen dieser Aspekte. Gemeinsam ist ihnen, dass sie die in der Taufe sichtbar und wirksam gewordene unauflösliche Verbundenheit mit Gott ausdrücken wollen. Jede dieser Deutungen ist ein Versuch sich dem zu nähern, was in der Taufe geschieht.
Letztlich bleibt es ein Mysterium, die neutestamentliche Bezeichnung für Sakrament: ein Geheimnis. Die Anrede Gottes ruft nach einer Antwort. Der Glaube ist das dritte, das zur Taufe gehört. Dabei ist der Glaube aber keine zu erbringende Leistung, durch die die Taufe erst gültig wird. Wie die Taufe ist auch der Glaube Geschenk Gottes.
Ein Geschenk des Vertrauens für das Leben
Glauben heißt also, das, was in der Taufe geschieht, als Geschenk anzunehmen und darauf im Leben zu vertrauen. Es heißt aber auch, nach Erkenntnis suchen oder im Bild des Wasserzeichens gesprochen: sich in Situationen zu stellen und stellen zu lassen, in der das Wasserzeichen auch sichtbar werden kann. Das Papier mit dem Wasserzeichen vor einer dunklen Wand lässt nichts erkennen, dasselbe Papier vor einer Kerze offenbart sein Geheimnis.
Wenn Glaube und Taufe so eng miteinander verbunden sind, stellt sich die Frage nach der Säuglingstaufe. Sollte man es nicht wie die ersten Christen machen, die sich erst taufen ließen, wenn sie sich selbst für den christlichen Glauben entschieden hatten? Erst später, aus Angst vor einem damals häufigen Säuglingstod, wurden Kinder getauft, damit sie dem Heil nicht verloren gingen.
Taufe aus Angst ist falsche Motivation
Vieles davon hat sich in der Frömmigkeit erhalten. Aber Angst sollte nicht der Motor zur Taufe sein, denn das Ja Gottes gilt ja von Beginn des Geschöpfseins. In der Taufe geht es primär ums Empfangen und das kommt in der Kindertaufe am besten zum Ausdruck. Für Luther war entscheidend, dass der Glaube auf der Taufe ruht und nicht die Taufe auf dem Glauben. "Mein Glauben macht nicht die Taufe, sondern empfängt die Taufe".
Damit bei der Taufe die eigene Geschichte des Glaubens beginnen kann, ist bei einer Säuglingstaufe dann erst einmal der Glaube der Eltern und der Paten gefragt, die bei der Taufe stellvertretend ihr Ja sprechen. Sie können dann ihrem Kind zeigen, dass es dieses "Wasserzeichen" als Markenzeichen trägt: "Made and loved by God".
Die so gestartete eigene Glaubensgeschichte kann eine sehr bewegte Geschichte sein, mit Zuversicht und Zweifeln, mit Hunger nach religiöser Tiefe und Zeiten innerer Leere. Die Taufe kann dabei das Grunddatum sein, bei der das vorbehaltlose und unveränderliche Ja Gottes in die Biographie eines Menschen oft schon ganz am Anfang eingeschrieben wurde. Es lohnt sich, sich daran zu erinnern. Von Luther wird erzählt: Wenn ihn Glaubenszweifel packten, schrieb er auf seinen Tisch: "Ich bin getauft".