Was gibt es bei der Weihnachtsgeschichte Neues zu erzählen?
Dieter Falk: Wir gehen aus vom Bethlehem der Jetztzeit – mit Bezug zur aktuellen Tagespolitik. In Nahost brennt es lichterloh, schlimmer als jemals zuvor. Das Stück beginnt mit der Strophe: "Man muss zum Ort durch eine Mauer gehen. Checkpoint ist dort, wo die Soldaten stehen. Hass und Gewalt sind ein Problem in Bethlehem." Gleich im zweiten Song geht es um Menschen in Not und Migration. Wie Maria und Josef auf ihrer Suche nach einer Herberge abgewiesen werden, ist ein stark inszenierter Querverweis zur Flüchtlingskrise.
"Wie kann man im Kleinen Frieden halten?"
Was ist die Message des Stücks?
Es geht natürlich um die Neu-Erzählung der Weihnachtsgeschichte, aber auch um das große Thema Frieden. Wie kann man im Kleinen Frieden halten, und was hat das für eine Relevanz für die Gesellschaft? "Frieden auf Erden" taucht in der Weihnachtsgeschichte ja ganz oft auf.
Wie streng bleiben Sie bei der Erzählung des Evangelisten Lukas?
Wir starten ja im Bethlehem der Jetztzeit, dem Ort, der Juden, Muslimen und Christen gleichermaßen heilig ist. Durch den tiefen Brunnen der Vergangenheit geht es dann hinab in die Zeit der Weihnachtsgeschichte. Eine dramaturgische Neu-Erfindung ist die Figur der Mamba, einer Beraterin des Herodes. Sie vergiftet den König, um den Kindermord zu verhindern: "Der Kindermord ist abgesagt." Wir wollten die Geschichte so erzählen, dass auch eine Familie mit Kindern sich das Stück anschauen kann. Das ist die einzige Änderung im Vergleich zur Lukas-Version.
Herodes bleibt also eine negative Figur?
Ja, im Musical hat man ja oft den Protagonisten und den Antagonisten, den Helden und den Gegenspieler. Eine ganz wichtige Figur zwischen diesen Polen ist Maria, die das Gott-Menschliche auf eine ganz eigene Weise verkörpert. Man sieht sie immer in der Geschichte, wie sie schwanger wird, wie sie das Kind bekommt, wie sie auf Herbergssuche ihr Hab und Gut in einem Einkaufswagen bei sich hat. Über ihr noch ungeborenes Kind singt sie zur Melodie von "Maria durch ein Dornwald ging".
Was kann man sonst noch an musikalischen Stilrichtungen erwarten?
Ich habe einige klassische Musik-Zitate in die Komposition aufgenommen: "Adeste Fidelis", "Joy to the World" von Händel oder Bachs "Gloria". Musikalisch war es mir wichtig, dass es nicht nur neue Kompositionen gibt, sondern auch bekannte Melodien, wie ein Neu-Arrangement des Spirituals "Go Tell It on the Mountain". Insgesamt sind es 20 Songs, stilistisch eine Mischung aus Klassik und Gospel.
"Josef stellt die Frage, wenn Gott ein Mensch wird, wie wird das sein?"
Der theologische Kern von Weihnachten ist die Menschwerdung Gottes. Wie kommt das im Stück vor?
Josef stellt die Frage, wenn Gott ein Mensch wird, wie wird das sein? Wie wird er uns begegnen? Im Song "Wenn Gott ein Mensch ist" heißt es weiter: "Wird man ihn zu den Verrückten zählen, weil er Mensch geworden ist".
Es ist mein Lieblingssong, in dem Michael Kunze das Mysterium der Menschwerdung Gottes wunderbar in Worte gefasst hat. Meine Inspiration für dieses Lied war "One of Us" von Joan Osborne. Darin stellte sie Mitte der 1980er-Jahre die Frage: Was, wenn Gott einer von uns wäre?
Dann gibt es ja noch den Gedanken, dass eher die Ausgestoßenen die Frohe Botschaft als Erste hören. Welche Rolle spielen die Hirten?
Sie kommentieren das Geschehen in längeren Gesangspassagen auf ihre eigene Art. Die drei Sterndeuter sind ernsthafte Forscher, die intelligente, aber auch zum Teil unsinnige Prognosen abgeben. Sie widersprechen einander, aber jeder beharrt auf seiner Wahrheit. Wir wollten den Gegensatz zwischen den Weisen und den Hirten deutlich machen.

Michael Kunze ("Griechischer Wein") ist ja eigentlich ein weltlicher Songwriter. Haben Sie ihn bekehrt?
(lacht) Eigentlich hat er mich zum Musical bekehrt, Mitte der Achtziger in München wurden wir einander vorgestellt. Er fragte mich, wieso schreibst du kein Musical? 20 Jahre später war es so weit, und wir schrieben zusammen das Pop-Oratorium "Die 10 Gebote". Was den christlichen Glauben betrifft, kann ich nicht jemandem ins Herz schauen, aber die Fragen von Religion und gesellschaftlicher Verantwortung bewegen ihn. Michael ist ein international erfolgreicher Librettist, der Welthits geschrieben hat. Ich glaube, dass es gerade interessant ist, wenn ein renommierter Autor, der nicht der frommen Szene entstammt, sich der großen Themen des Christentums annimmt und aus seiner Perspektive erzählt.
Wie schafft man es, 3000 Sängerinnen und Sänger auf die Bühne zu bringen?
Die Vorbereitung läuft in den örtlichen Chören oder zu Hause. Zum Beispiel kenne ich eine Frau, die auf dem Weg zur Arbeit ihre in einer Aufnahme extra laut gemischte Alt-Stimme hört und so die ganzen Sachen für ihren Part fast schon auswendig kennt. Vor der Aufführung gibt es dann zwei große Proben, bei denen alle zusammenkommen, eine ein halbes Jahr vor der Aufführung, die andere zwei bis drei Wochen davor. Die Stiftung Creative Kirche hat als Veranstalter große Erfahrung mit diesen Projekten und sorgt für einen perfekt organisierten Ablauf.
"Jeder kann mitsingen"
Wer kann mitsingen?
Im Prinzip jeder. Es geht auch, wenn man nicht so toll Noten lesen kann. Ich freue mich auch über Schulchöre, wo wir eben nicht nur die kirchliche Chorszene haben, sondern auch neue Leute dafür begeistern können.
Am Samstag, 27. Dezember 2025, wird "Bethlehem" in der Münchner Olympiahalle aufgeführt. Wo können sich Interessierte melden?
Der Fahrplan mit allen Terminen ist auf der Homepage "Chormusical Bethlehem" hinterlegt.
Mitsingen bei "Bethlehem" in der Olympiahalle München
Am Samstag, 27. Dezember 2025, wird das Chormusical Bethlehem von Michael Kunze und Dieter Falk in der Olympiahalle in München aufgeführt.
Ab sofort werden Chöre bzw. Sängerinnen und Sänger aus Bayern gesucht, die Lust haben, das Stück bei eigenen und gemeinsamen Proben zu erlernen, um es dann mit einem professionellen Musicalensemble, mit Band und großer Technik zu präsentieren.
Die Stücke sind so angelegt, dass auch ungeübte Sängerinnen und Sänger Spaß bei den Proben und der Aufführung haben.
Zur Anmeldung geht es hier.
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Dieser Gigantismus ist eher…
Dieser Gigantismus ist eher eine Karrikatur der Weihnachtsgeschichte und die passenden Slogans für den Zeitgeist dürfen auch nicht fehlen. Na dann viel Erfolg.