Ob Rechts- oder Linksextremisten, Reichsbürger, Selbstverwalter, "Querdenker" oder ausländische Nachrichtendienste - alle wollen aus der Corona-Pandemie Kapital schlagen. Die Gruppen wollten "Spaltungstendenzen innerhalb der Gesellschaft" nutzen, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes für 2020 in München.

Die Pandemie wirke wie ein "Brennglas" und zeige die "in der Gesellschaft vorhandenen Bruchlinien." Mittelfristig könne dies zu einer "ernsthaften Gefahr" für die Demokratie werden, der Verfassungsschutz als Frühwarnsystem sei "wichtiger denn je".

Es werden niederschwellige Angebote geschafft

Herrmann sagte, Rechtsextremisten versuchten, niedrigschwellige Angebote für junge Leute zu schaffen, etwa über Online-Spiele. Dabei würde rechtsextreme Ideologie mit Verschwörungstheorien vermengt. Offenbar mit Erfolg: Innenminister Herrmann zufolge hat das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) 2.770 Personen auf dem Radar, die potenziell der rechtsextremistischen Szene zuzuordnen sind.

Dies sind 7,7 Prozent mehr als noch 2019. Die Zahl rechtsextremistischer Straftaten sei im Jahr 2020 erneut gestiegen - auf 2.455 Fälle, darunter 81 Gewalttaten. Dies zeige die steigende Aggressivität und Gewaltbereitschaft der Szene.

Innenminister Herrmann erläuterte, dass "einzelne Personen" im Zusammenhang mit Demos gegen die staatlichen Anti-Corona-Maßnahmen beobachtet würden. "Wer eine kontroverse Meinung vertritt, wird nicht beobachtet", stellte er klar. Wer allerdings zu "entsprechenden Handlungen" gegen staatliche Einrichtungen oder gegen Personen aufrufe, den habe das LfV im Blick.

Laut Herrmann ist es besorgniserregend, dass etliche dieser Personen "nicht aus klassischen Extremismusstrukturen" kommen, sondern eher "freie Radikale" seien: "Diese Leute wähnen sich in einem Widerstand gegen eine angebliche Corona Diktatur."

Einschätzung zu weiteren Rechtsextremistischen "Bewegungen"

Positiv bewertete Herrmann die Entwaffnung der Reichsbürger-Szene in Bayern. Dank der engagierten Arbeit der Behörden sei diese "bereits sehr weit fortgeschritten". Zugleich hätten auch die Reichsbürger und Selbstverwalter Zulauf durch die Corona-Krise: Durch die wichtigen Maßnahmen der Pandemie-Bekämpfung sehe sich die Gruppierung in ihrer staatsablehnenden und -feindlichen Haltung bestätigt.

Politisch Verantwortlichen werde unterstellt, die Bevölkerung unter dem Vorwand der Pandemie-Bekämpfung zu entrechten, zu überwachen und ihnen zu diesem Zweck über eine Corona-Impfung Mikrochips einzupflanzen, sagte Herrmann.

Den Islamistischen Terrorismus hält Herrmann nach wie vor für brandgefährlich - auch wenn er wegen der Pandemie etwas aus dem öffentlichen Bewusstsein geraten sei. Europa sei auch 2020 Ziel von Anschlägen gewesen, beispielsweise in Paris, Dresden und Wien.

Oftmals nutzen Islamisten das Opfer-Narrativ, wonach der Westens grundsätzlich feindlich gegenüber Muslimen und der Religion des Islam eingestellt sei, sagte Herrmann. Damit werde "die Entfremdung von der Mehrheitsgesellschaft" vorangetrieben.