Mobbing, Trauererlebnisse und steigender Leistungsdruck gehören zu den Hauptursachen für seelische Probleme bei Bayerns Nachwuchs. So müssten immer mehr Kinder und Jugendliche im Freistaat psychotherapeutisch behandelt werden, teilte die Barmer am Mittwoch bei der Präsentation ihres Arztreports am Mittwoch in München mit.

Innerhalb von elf Jahren sei die Zahl junger Patienten um 90 Prozent gestiegen. Demnach bekamen im Jahr 2019 knapp vier Prozent der Kinder und Jugendlichen in Bayern (123.800) psychotherapeutische Hilfe.

Zahl psychotherapeutischer Behandlungen steigt bundesweit

Im bundesweiten Vergleich liegt Bayern damit im Mittelfeld. Spitzenreiter sind die Länder Berlin (5,19 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (4,7 Prozent), die wenigsten Psychotherapien gab es in Thüringen (3,44 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (3,33 Prozent). Der Bundesdurchschnitt lag 2019 bei 4,13 Prozent und hat sich damit ähnlich zur bayerischen Entwicklung seit 2009 mehr als verdoppelt.

Corona-Pandemie wirkt sich negativ aus

Die Corona-Pandemie verschärfe die Situation, erklärte die Landesgeschäftsführerin der Barmer in Bayern, Claudia Wöhler. Im ersten Halbjahr 2020 sei die Zahl der Unter-25-Jährigen mit Psychotherapie in Bayern gegenüber 2019 um 6,5 Prozent gestiegen, von 46.673 auf 49.706. Im Vergleichszeitraum der ersten Halbjahre 2018 und 2019 betrug der Anstieg nur 1,5 Prozent.

Zu den häufigsten Diagnosen zählten 2019 laut Arztreport Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen. Darunter fallen Trauererlebnisse genauso wie Mobbing. Zweithäufigster Anlass für den Beginn einer Therapie waren Depressionen, gefolgt von emotionalen Störungen im Kindesalter.

Alarmsignale sollten früh ernst genommen werden

Psychische Probleme können für Kinder und Jugendliche dem Report zufolge ernste Folgen haben. "Aus kranken Kindern werden nicht selten kranke Erwachsene", sagte Wöhler.

Daher sei wichtig, die Alarmsignale frühzeitig ernst zu nehmen. Zwar hätten psychische Probleme heute einen höheren Stellenwert als früher; dennoch dauere es oft noch zu lange, bis Betroffene professionelle Hilfe erhielten.

17 Prozent der Kinder und Jugendlichen von psychischen Auffälligkeiten betroffen

Studien über die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland zeigten, dass etwa 17 Prozent von psychischen Auffälligkeiten betroffen sind. Darunter befänden sich auch behandlungsbedürftige Störungen wie Ängste, Depressionen, aggressives Verhalten und auch das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS).

Verstärkter Rückzug, Schlafstörungen, plötzlich auftretendes trotziges oder aggressives Verhalten oder ein veränderter Antrieb könnten Warnsignale sein. Auch neu auftretende Ängste und Sorgen oder starke Wandlungen im Essverhalten könnten Hinweise auf das Vorliegen einer beginnenden psychischen Erkrankung sein.

Nicht jede Situation erfordert Psychotherapie

Allerdings müsse nicht hinter jedem Symptom eine psychische Erkrankung stecken, sagte der Vizepräsident der Psychotherapeutenkammer Bayern, Peter Lehndorfer. Wenn Eltern Veränderungen wahrnehmen, die ihnen Sorgen bereiten, sollten sie den Rat eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutens oder -psychiaters einholen.

Nicht jede Situation erfordere zudem eine Psychotherapie. Mitunter könnten Gespräche oder wenige Sitzungen in Form von Sprechstunden helfen, Lösungen aufzuzeigen.