Die Religionspolitiker der Ampel-Fraktionen von SPD, Grünen und FDP wollen einem Medienbericht zufolge bald ein Gesetz zur Ablösung der Staatsleistungen auf den Weg bringen. Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet, soll der für den Herbst geplante Gesetzentwurf so gestaltet werden, dass der Bundesrat nicht zustimmen muss. Aus den Bundesländern, die für die Ablösung zahlen müssten, kommt Kritik.

Der religionspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lars Castellucci, sagt der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung": "Ich bin klar dagegen, das Grundsätzegesetz zustimmungspflichtig auszugestalten." Dem Bericht zufolge sollen die Vorgaben zur Ablösung der Staatsleistungen vage bleiben. "Es wird sicher kein Text, der Ländern abschließend die Form der Ablösung vorschreiben wird", sagte Castellucci.

Geld oder Grundstücke für Kirchen

Den Kirchen solle damit kein Schaden zugefügt werden:

"Es geht darum, die finanziellen Verflechtungen zwischen dem Staat und den Kirchen zu kappen."

Die Länder sollten selbst wählen, ob sie den Kirchen Geld zahlen wollen, oder ihnen Grundstücke, Wald oder Wertpapiere übertrügen.
Staatsleistungen erhalten die Kirchen als Entschädigung für die Enteignung kirchlicher Güter und Grundstücke im Zuge der Säkularisierung vor allem Anfang des 19. Jahrhunderts.

Mehr als 600 Millionen an die Kirchen

Das Grundgesetz enthält einen aus der Weimarer Reichsverfassung übernommenen Auftrag, diese Entschädigungszahlungen abzulösen. Möglich wäre dies etwa durch Einmal- oder Ratenzahlungen. Die Ampel-Koalition hatte 2021 im Koalitionsvertrag vereinbart, dazu ein Grundsätzegesetz vorzulegen. 

Konkret über die Modalitäten verhandeln müssen jedoch die Länder, aus deren Haushalten die Zahlungen fließen. Mehr als 600 Millionen Euro zahlen sie jährlich an die evangelische und katholische Kirche. Die Höhe fällt dabei je nach Bundesland sehr unterschiedlich aus.

Kirchenrechtsexperte: Ablösungsgesetz ohne Länderzustimmung möglich

Ein Rahmengesetz für die von den Bundesländern im Detail zu regelnde Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen wäre nach Einschätzung des Kirchenrechtsexperten Stefan Korioth ohne formelle Zustimmung des Bundesrats möglich. "Das ist möglich, weil die Verfassung sagt, dass der Bund ein Grundsätzegesetz für die Ablösung aufstellen muss", sagte der Professor für Öffentliches Recht der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München:

"Wenn dieses Gesetz sich auf die Grundsätze beschränkt und den Ländern verschiedene Ablösungswege offen hält, ist das nicht zustimmungspflichtig."

Konkret heißt das nach Korioths Worten, dass Details wie ein genauer Ablösefaktor oder Zeitraum für die Ablösung nicht durch das Bundesgesetz vorgeschrieben werden dürfen. "Das Gesetz könnte sagen, die Ablösung müsse innerhalb eines angemessenen Zeitraumes erfolgen, und das Äquivalenzprinzip zugrunde legen, also dem heutigen Wert entsprechen", sagte der Jurist. "Welcher Zeitraum als angemessen angesehen wird, darüber sollten die Länder entscheiden", ergänzte er. Immerhin gehe es um deren Kassen.

Auftrag, Leistungen abzulösen, besteht seit 105 Jahren

Zum Vorschlag des CDU-Politikers Günter Krings, den Passus mit dem Auftrag zur Ablösung der Staatsleistungen aus der Verfassung zu streichen, sagte Korioth, auch das sei im Wege einer Verfassungsänderung möglich, also mit Zwei-Drittel-Mehrheiten im Bundestag und im Bundesrat. "Das Ergebnis wäre aber sehr merkwürdig", sagte er.

Seit 105 Jahren bestehe der Auftrag, die Leistungen abzulösen: "Wenn man jetzt dazu überginge, die Staatsleistungen zu perpetuieren, wäre dies eigentümlich." Krings hatte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gesagt, das Staat-Kirche-Verhältnis habe sich seit 1919 auch ohne Ablösung der Staatsleistungen gut eingespielt. Daher stelle sich die Frage, ob sich der Verfassungsauftrag nicht überlebt habe.

Insgesamt begrüßte Korioth den Willen der Ampel-Koalition, die Ablösung auch ohne Zustimmung der Länder anzugehen. "Es ist richtig, dass der Bund die Initiative ergreift. Das ist eigentlich überfällig", sagte er, äußerte sich gleichzeitig über die Erfolgschancen aber skeptisch.

"Nach den Erfahrungen der vergangenen Legislaturperiode und aller Anläufe in den vergangenen 15 Jahren stehen die Chancen nach meinem Eindruck nicht so gut", sagte er. In der vergangenen Wahlperiode war ein Gesetzentwurf der damaligen Oppositionsfraktionen von Grünen, FDP und Linkspartei zur Ablösung im Bundestag gescheitert.

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