Die Bundesländer zögern bei der verfassungsmäßig gebotenen Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen. Wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter 14 Landesregierungen ergab, hat die Ablösung für die Mehrheit keine Priorität. Es sei ein schlechter Zeitpunkt, hieß es etwa aus Thüringen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz erklärten wiederum, man sei grundsätzlich offen gegenüber diesem Vorhaben der Bundesregierung, zentrale Fragen müssten aber noch geklärt werden.

Viele Länder verwiesen auf die in der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossene Position, das Thema zunächst zurückzustellen. Es sei noch "kein für alle Beteiligten konsensfähiges Ablöse-Modell bekannt", sagte ein Sprecher des Brandenburger Kultusministeriums.

Staatsleistungen an die Kirchen

Rund 638 Millionen Euro zahlen die Länder der Umfrage zufolge in diesem Jahr, hauptsächlich an evangelische (rund 356 Millionen Euro) und katholische (rund 247 Millionen Euro) Kirche. Die Höhe und damit die Bedeutung der Staatsleistungen für Kirchen- und Landeshaushalte variiert dabei stark. Baden-Württemberg zahlte mit 141 Millionen Euro die höchste Summe, Bayern 130 Millionen Euro. In Rheinland-Pfalz beträgt die Summe 66,6 Millionen, im Saarland eine knappe Million Euro.

Staatsleistungen erhalten die Kirchen als Entschädigung für die Enteignung kirchlicher Güter und Grundstücke im Zuge der Säkularisierung vor allem Anfang des 19. Jahrhunderts. Hamburg und Bremen sind die einzigen Länder, die keine Staatsleistungen zahlen.

Ablösung der Staatsleistungen durch Einmal- oder Ratenzahlungen

Das Grundgesetz enthält einen aus der Weimarer Reichsverfassung übernommenen Auftrag, diese Entschädigungszahlungen abzulösen. Möglich wäre dies etwa durch Einmal- oder Ratenzahlungen.

Ziel der Ampel-Koalition sei ein entsprechendes Grundsätzegesetz in dieser Wahlperiode, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums dem epd. Der Bund müsste die Rahmenbedingungen zur Ablösung gesetzlich regeln, die Länder sind finanziell in der Pflicht. Die Beratungen mit Vertretern von Bund, Ländern und Kirchen liegen aber wegen des Widerstands der Länder derzeit auf Eis.

Positionen der Kirchen

Die Kirchen wiederum zeigen sich seit einiger Zeit offen für die Ablösung. Sie habe angesichts der Haushaltssituation Verständnis für die Zurückhaltung der Länder, für die eine Ablösung eine zusätzliche Belastung darstellen würde, sagte die Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anne Gidion, dem epd.

Zugleich stehe man weiter "für eine Kooperation zur Einlösung des Verfassungsauftrags bereit".

Nach den Vorstellungen der Kirchen könne man über eine deutliche zeitliche Streckung der Ablösung nachdenken, sagte der Präsident des Landeskirchenamtes der Nordkirche, Peter Unruh, dem epd. Die Länder könnten beispielsweise für etwa 40 Jahre jährlich den doppelten Betrag der in den Staatskirchenverträgen festgeschriebenen Staatsleistungsbeträge zahlen.

Der Religionsverfassungsrechtler sieht die historische Chance, die Staatsleistungen abzulösen. Über das Ablösemodell könne noch Einigkeit erzielt werden.

"Die bisherigen Beratungen sind auf der sachlichen Ebene so erfolgversprechend wie noch nie", sagte Unruh, der selbst an den Gesprächen teilnahm.

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