Es klingt schon verlockend für die Pfarrerschaft. Künstliche Intelligenz (KI) ist dieser Tage in aller Munde und die ersten Predigten gab es schon, bei denen Texte von ChatGPT und Co. zitiert wurden.

Der KI muss nur gesagt werden, was geschrieben werden soll (zum Beispiel "Schreibe eine Predigt für Weihnachten…") und Sekunden später wird das Ergebnis präsentiert. Die Zeitersparnis bei der Arbeit ist enorm. Nicht nur für die Predigt, sondern auch Gemeindebriefartikel oder Schulunterricht können schnell und ausreichend bei Zeitnot behandelt werden. Der KI werden kurz ein paar Vorgaben gegeben und die Arbeit ist fertig.

ChatGPT kann Predigten schreiben

Sicherlich bleibt so manches im Allgemeinen, aber durch ein wenig nachträgliches Überarbeiten, sprachliche Veränderungen und Emotion fällt das gar nicht mehr so auf.  "ChatGPT kann Predigten schreiben oder Vorlagen für seelsorgerliche Gespräche", sagt der evangelische Theologe Rainer Bayreuther ("Der digitale Gott. Glauben unter technoloischen Bedingungen").

Die KI könne dabei "viele Aspekte miteinbeziehen" und hilfreich sein.

In Zeiten von Neustrukturierungen innerhalb der evangelischen Kirche, Stelleneinsparungen in den Gemeinden und noch mehr Arbeit, die somit für einzelne Pfarrerinnen und Pfarrer anfällt, ist es sicherlich sinnvoll, so viel wie möglich zu nutzen, Arbeit zu reduzieren, auf Bestehendes zurückzugreifen. Also eine Digitalisierung auch auf der inhaltlichen Ebene. Selbst auf dem kommenden Kirchentag in Nürnberg soll es einen Gottesdienst geben, der komplett von ChatGPT stammt. Nicht nur als Witz, sondern als wirkliche Gottesdienstfeier.

KI schläft nie

Die Frage, ob KI in Zukunft einen Ersatz für die Arbeit von Pfarrerinnen und Pfarrern darstellen, treibt viele um. Die KI schläft nicht, ist immer ansprechbar und bringt viel mehr Wissen und Aspekte in ein seelsorgerliches Gespräch mit ein, als jeder Mensch es könnte.

Auch Bayreuther meint, dass die Kirche der Zukunft "sich mit jedem neuen Quantensprung der Technik neu erfinden wird. Das ist nicht tragisch – im Gegenteil. Nur, wenn sie sich neu erfindet, hat sie eine Überlebenschance."

Dabei soll die KI nicht die Aufgaben der Pfarrpersonen übernehmen, sondern assistieren.

Zukunft der Kirche?

Ist das die Zukunft der Kirche? Menschen, die sich auf ChatGPT und Co. verlassen und deren Worte sprechen und hören? Dabei ist doch das Besondere der Kirche ein Vertrauen in etwas ganz anderes. Nämlich der Glaube, dass der lebendige Gott zu uns Menschen spricht. In der Kirche wird das der "Heilige Geist" genannt.

Hinter jeder Predigt, jedem gehörten Wort im Gottesdienst, hinter jedem seelsorgerlichen Gespräch, steht die Hoffnung und das Vertrauen das Gott durch andere Menschen und Worte auch zu uns spricht. Zum Beispiel predigt der Prediger im Vertrauen darauf, dass er Gottes Wort verkündet und der Seelsorger spricht im Vertrauen, dass auch wenn er nicht die richtigen Worte findet, Gott im und nach dem Gespräch wirkt.

Mit anderen Worten könnte man sagen: Die Quelle und der Ursprung allen seelsorgerlichen Handelns der Kirche liegt bei Gott.

Und so muss sich die Pfarrerschaft fragen: Wenn die KI wirklich stärker assistieren soll und Predigten, Gesprächsvorlagen oder anderes von einer KI geschrieben werden, verändert sich dann nicht auch die Quelle und der Ursprung?

Wovon sind unsere Inhalte beeinflusst?

Diese Debatte ist nicht neu. Schon mit Wikipedia, Google und im Blick auf die Kirche zum Beispiel Lesepredigten, die online für alle verfügbar sind, musste die Frage schon gestellt werden:  Wovon sind unsere Inhalte eigentlich beeinflusst. Im Fall von ganzen Predigten, die neu von einer KI generiert werden, sind die Inhalte und Gedankengänge, auf denen der Text basiert, erst recht nicht mehr zu durchschauen und nachzuvollziehen.

Sie werden von einer KI bestimmt.

Die KI, die nicht daran glaubt, dass Gott auch heute noch wirkt und zu uns Menschen spricht. Die für nichts einsteht, sich selbst verweigert, ethische Ratschläge oder Entscheidungen zu treffen, weil Programmierer das so eingestellt haben.

Und die auch selbst kein Interesse oder Liebe für die Menschen mitbringt.

Imitieren kann die KI das alles natürlich und wird immer besser werden, bis sie vielleicht eines Tages sogar ein richtiges Eigenleben entwickelt. Aber wenn es wirklich darum geht, von Gott zu erzählen, ziehe ich den Menschen in jedem Fall vor. Und zwar den Menschen, der eben nicht aus einem unerschöpflichen Wissenspool schöpft, sondern aus dem Vertrauen aus Gott heraus spricht und handelt.

 

Buchtipp: Rainer Bayreuther, Der digitale Gott. Glauben unter technologischen Bedingungen. Claudius Verlag 2023, 273 Seiten. 

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