Mit klarer Mehrheit hat der Gemeinderat Pullach Infotafeln zum früheren evangelischen Landesbischof Hans Meiser auf öffentlichem Grund abgelehnt. Stattdessen beschloss das Gremium bei seiner Sitzung am Dienstagabend, die vier Textentwürfe der Historikerin und Meiser-Biografin Nora Schulze auf der Internetseite der Kommune zu veröffentlichen.

Darauf solle "in geeigneter Weise" hingewiesen werden - zum Beispiel mithilfe eines QR-Codes am Schild der Bischof-Meiser-Straße. Über den Antrag des Pullacher Geschichtsforums vom 14.11.2020 zur Umbenennung der Straße soll laut Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) voraussichtlich in der Juni-Sitzung entschieden werden.

Meiser: Ambivalente Rolle während NS-Zeit

Der Abstimmung waren Wortmeldungen vorausgegangen, die das Verhalten der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Deutschland (VELKD) in der Angelegenheit mit deutlichen Worten kritisierten. Das VELKD-Studienseminar ist Anrainer der Bischof-Meiser-Straße und sollte an der Aufklärung über die Person Meisers, der 1948 Mitgründer der VELKD war, beteiligt werden.

So seien die vier Texttafeln, die die ambivalente Rolle des ersten bayerischen Landesbischofs während der NS-Zeit darstellen sollten, ursprünglich für das Foyer oder den Innenhof des Studienseminars konzipiert worden, erklärte der Pullacher Gemeindearchivar Christian Sachse. Allerdings habe seitens des zuständigen VELKD-Referenten dann ein "schrittweises Abservieren" stattgefunden - bis hin zur endgültigen Absage.

Auch Bürgermeisterin Tausendfreund zeigte sich "irritiert, dass das Aufstellen der Tafeln wie eine heiße Kartoffel zwischen den kirchlichen Ebenen herumgereicht wurde". Den drei Gemeinderäten, die sich für einen breiten Informationsprozess vor der Abstimmung zur Umbenennung starkgemacht hatten, war ebenfalls ihre Enttäuschung anzumerken.

Bürgermeister findet "Wegducken unglaublich"

Die "Art und Weise des Wegduckens" der VELKD mit Sitz in Hannover finde er "unglaublich", sagte Zweiter Bürgermeister Andreas Most (Pullach Plus). Debattenverweigerung warf Holger Ptacek (SPD) den VELKD-Zuständigen vor. "Das ist feige, so kann Geschichtsaufarbeitung im 21. Jahrhundert nicht aussehen", sagte der Gemeinderat.

Seine Kollegin Renate Grasser (Grüne) verwies darauf, dass die Bischof-Meiser-Straße 1958 ihren Namen nur wegen der Errichtung des VELKD-Studienseminars erhalten habe. Wenn schon die Kirche kein Interesse daran habe, die Ambivalenz des Bischofs in der Erinnerungskultur lebendig zu halten,

"warum soll es dann Aufgabe der Gemeinde sein?"

Umstrittener Ex-Landesbischof Hans Meiser

Hans Meiser (1881-1956) war von 1933 bis 1955 Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB). Seine Befürworter halten ihm zugute, dass er den Anschluss der bayerischen Lutheraner an die regimetreuen "Deutschen Christen" verhinderte und sich für die Rettung "nichtarischer Christen" einsetzte. Kritiker werfen dem Theologen vor, dass er in zwei Aufsätzen "dezidiert antisemitisch" argumentierte und in der NS-Zeit öffentlich zu Judenverfolgung und Euthanasie schwieg.

Im Jahr 2007 hatten Nürnberg und München ihre nach dem ehemaligen Landesbischof benannten Straßen per Stadtratsbeschluss umbenannt. Bayreuth lehnte eine Namensänderung im Jahr 2010 zunächst ab; 2022 stimmte eine Mehrheit des Stadtrats doch noch für die Umbenennung. Für die Beibehaltung des Straßennamens entschieden sich Weiden (2009) und Ansbach (2006 und 2013).

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