Immer wieder debattieren Stadtgesellschaften über manche Straßennamen. Aktuell geht es in Pullach südlich von München um eine nach dem früheren evangelischen Landesbischof Hans Meiser (1881-1956) benannte Straße. Meiser wurden in der Vergangenheit unter anderem antisemitische Äußerungen in seiner Funktion als Landesbischof während der NS-Zeit vorgeworfen. In München und Nürnberg sind die Bischof-Meiser-Straßen nach heftigen Diskussionen verschwunden. Zur Zeit der Nürnberger Entscheidung von 2006 war der heutige Diakoniepräsident Michael Bammessel Nürnberger Stadtdekan.

Wie belastend haben Sie vor 15 Jahren die Debatte um die Nürnberger Bischof-Meiser-Straße empfunden?

Michael Bammessel: Das war der schwierigste Teil meiner Amtszeit als Stadtdekan. Ich schlafe normalerweise immer gut, aber in dieser Zeit gab es tatsächlich Nächte, in denen ich nicht einschlafen konnte. Ich war der Umbenennung gegenüber kritisch eingestellt, denn ich halte es für keinen guten Weg der Vergangenheitsbewältigung, Namen einfach zu tilgen.

"Das kann ich verstehen, dass in dieser Konstellation eine Bischof-Meiser-Straße nicht tragbar war. Aber in Pullach oder in Bayreuth wäre ich gegen eine Umbenennung."

Was waren damals die Argumente und wie würden Sie in der Frage der Umbenennung der Nürnberger Hans-Meiser-Straße heute entscheiden?

Michael Bammessel: Wir haben im Dekanatsausschuss 2006 zunächst einen Beschluss gefasst, der besagte, dass wir bei der Neubenennung einer Straße im Jahr 2006 Hans Meiser einerseits nicht mehr vorschlagen würden. Denn die evangelische Kirche hat in der Zeit des Nationalsozialismus in der Judenfrage fürchterlich versagt und Meiser stand an der Spitze der Kirche und damit auch in der Verantwortung für das Versagen. Wir schlossen uns andererseits dem Gutachten an, das gegen eine Umbenennung war und eine Auseinandersetzung mit dem Wirken von Bischof Meiser als Beitrag zur "Erinnerungskultur" sah.

Als aber deutlich wurde, dass es einen starken Wunsch nach einer Umbenennung aus der jüdischen Gemeinde gab, hatte das Vorrang vor anderen Überlegungen. In Nürnberg lag die Bischof-Meiser-Straße in der Altstadt, in der es sonst kaum Straßennamen gibt, die nach Personen benannt sind. Außerdem war sie nur hundert Meter von dem Ort entfernt, an dem die 1938 zerstörte Synagoge stand. Das kann ich verstehen, dass in dieser Konstellation eine Bischof-Meiser-Straße nicht tragbar war. Aber in Pullach oder in Bayreuth wäre ich gegen eine Umbenennung.

"Meiner Ansicht nach sollte man sich gründlich Kriterien überlegen, wie man mit Straßennamen umgeht, die belastet sind."

Weshalb?

Bammessel: Straßennamen spiegeln Geschichte wider, erinnern an Menschen, die in ihr eine wichtige Rolle gespielt haben. Diese Menschen haben Stärken und Schwächen. Die Öffentlichkeit sucht immer nach den moralisch strahlenden Helden und den schlimmen Bösewichten - aber so eindeutig sind die Menschen nicht. Man kann sich nicht nur die hellen oder die dunklen Seiten einer Person herauspicken.

Meiner Ansicht nach sollte man sich gründlich Kriterien überlegen, wie man mit Straßennamen umgeht, die belastet sind. Es gibt in Nürnberg auch einen Tillypark, der benannt ist nach dem Mann, der verantwortlich ist für das größte kriegerische Massaker im Dreißigjährigen Krieg. Oder der Straßenname von Hitler-Attentäter Graf von Stauffenberg: Auch von ihm sind schlimme Äußerungen gegen Polen oder Juden bekannt. Ein Mensch voller Widersprüche. Das gilt es auszuhalten.