Die Entscheidung über die Umbenennung der Bischof-Meiser-Straße in Pullach wird auf Juli vertagt. Die Zeit bis dahin wolle man für weitere Informationen und den Austausch von Argumenten nutzen, sagte Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) dem Sonntagsblatt. "Im Gespräch sind bereits verschiedene Formen der Aufarbeitung, ob es nun zur Umbenennung kommt oder nicht", so Tausendfreund. Dazu befinde man sich im Austausch mit dem Pullacher Geschichtsforum, das den Antrag auf Umbenennung gestellt hatte, sowie dem Studienseminar der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Deutschland (VELKD), das Anrainer der Bischof-Meiser-Straße ist.

Warum entflammt die Debatte in Pullach erst 15 Jahre nach den Debatten in anderen Städten?

Dass in Pullach erst jetzt, 15 Jahre nach den großen Debatten in Nürnberg und München, über die Bischof-Meiser-Straße diskutiert wird, habe mit veränderten Mehrheitsverhältnissen im Gemeinderat zu tun, sagte die Bürgermeisterin, die seit 2014 im Amt ist. "Mir persönlich lag es schon lange am Herzen, sich mit der Person und der Straßenbenennung auseinanderzusetzen", so Tausendfreund. Die früheren Ansichten im Gemeinderat hätten Umbenennungs-Befürworter vor 15 Jahren noch von einer Antragsstellung abgehalten.

Pullacher Geschichtsforum setzt sich für eine Umbenennung ein

Stattdessen sei das Pullacher Geschichtsforum gegründet und eine grundsätzliche Aufarbeitung der NS-Zeit in der Gemeinde angestoßen worden. "Schließlich waren wir Standort der ehemaligen Bormann-Siedlung und bevorzugter Wohnort vieler hochrangiger NS-Funktionäre", sagte die Kommunalpolitikerin. Auf dem Gelände der ehemaligen Bormann-Siedlung befinden sich heute Gebäude des Bundesnachrichtendiensts (BND).

Das Pullacher Geschichtsforum hatte bereits Anfang 2021 einen Antrag auf Umbenennung der Bischof-Meiser-Straße gestellt. Weil der frühere Landesbischof in zwei Aufsätzen "dezidiert antisemitisch" argumentiert und in der NS-Zeit konsequent zu Judenverfolgung und Euthanasie geschwiegen habe, solle er nicht länger durch einen Straßennamen geehrt werden, hieß es in der Begründung. Der Gemeinderat nahm den Antrag im April 2021 an.

Meinungsänderung der SPD-Fraktion verändert Ergebnis der Debatte

Vor der entscheidenden Abstimmung im November hatte die SPD-Fraktion allerdings ihre Meinung geändert. Der SPD-Gemeinderat Holger Ptacek betonte, dass manche Äußerungen Meisers unerträglich und unentschuldbar seien, "weil es auch in den 1920er-Jahren Möglichkeiten gab, anders zu denken". Hans Meiser sei deshalb aber nicht auf eine Stufe mit Kriegsverbrechern und Volksverhetzern zu stellen - Kriterien, die der Deutsche Städtetag vorschlägt, wenn es um die Umbenennung von Straßen geht.

VELKD-Bischof Ralf Meister wiederum betonte auf Sonntagsblatt-Anfrage, dass mit der Umbenennung der Pullacher Meiserstraße "das komplexe Thema" verbunden sei, wie man heute mit historisch und theologisch ambivalenten Personen umgehen solle. Man müsse einen Weg finden, "der vorschnelle Entscheidungen im Sinne einer Cancel Culture ebenso vermeidet wie ein unhinterfragtes Hinnehmen, das die offene Debatte scheut", teilte Meister mit.