In der KZ-Gedenkstätte Dachau wird am 9. November 2025 an die Pogromnacht von 1938 erinnert. Bei der christlich-jüdischen Gedenkfeier bekennen Vertreter:innen der Kirchen ihre Mitschuld – und Nachkommen von Holocaust-Überlebenden kommen aus aller Welt, um gemeinsam zu gedenken.

Angehörige von Opfern und Überlebenden als Ehrengäste

Für Kirchenrat Björn Mensing, Pfarrer und Historiker an der Evangelischen Versöhnungskirche, und Pastoralreferentin Judith Einsiedel von der katholischen Seelsorge an der Gedenkstätte ist es ein besonderes Zeichen, dass zahlreiche Angehörige von Opfern und Überlebenden der Shoah zugesagt haben.

Unter den Ehrengästen sind Nachfahren der ehemaligen KZ-Dachau-Häftlinge Edith Grünberger-Taus, Max Mannheimer, Leo Rothmann und Walter Taus. Die 94jährige Prinzessin Theresa von Bayern, deren Familie wegen ihrer NS-kritischen Haltung mehrfach verfolgt wurde, hat einen Besuch ebenfalls zugesagt.

Auch Kinder anderer Überlebender nehmen teil, darunter die Nachkommen von Irene Hallmann-Strauß, Walter Joelsen und Gerhard Meinhardt. Zudem sprechen Moris Lehner, Sohn des Dachau-Überlebenden Nikolaus Lehner, und C. Bernd Sucher, dessen Mutter das KZ Belzec überlebte, beim gemeinsamen Abschluss in der Jüdischen Gedenkstätte.

Erinnerung an die Opfer der Pogromnacht

Nach der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden über 30.000 jüdische Männer verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt – etwa 11.000 von ihnen nach Dachau. Viele überlebten die brutalen Haftbedingungen nicht.

Während der Gedenkfeier erinnern Judith Einsiedel, die ukrainische Freiwillige Khrystyna Maksymliuk (Aktion Sühnezeichen Friedensdienste) und Björn Mensing in der Versöhnungskirche an drei Schicksale:

  • Julius Kohn (1886–1943), Dachauer Bürger, der nach der Pogromnacht ins KZ Dachau verschleppt und später in Auschwitz ermordet wurde.

  • Abraham Müller (1883–1938), Religionslehrer an der Münchner Hauptsynagoge, der in Dachau ermordet wurde.

  • Erwin Schild (1920–2024), Student der Israelitischen Lehrerbildungsanstalt Würzburg, der das KZ überlebte und später Rabbiner in Kanada wurde.

Kirche bekennt Mitschuld

Pfarrer Mensing bekennt in seiner Ansprache die Mitschuld der Kirche am Schweigen und Versagen in der NS-Zeit. Er erinnert daran, dass Martin Sasse, der damalige evangelische Landesbischof von Thüringen, die Pogromnacht als Erfüllung von Luthers antijüdischen Forderungen deutete.

"Auch wenn Sasse nicht für alle sprach, fand keiner seiner Amtsbrüder den Mut, die Verbrechen öffentlich zu verurteilen", schreibt Mensing in einer Mitteilung zur Veranstaltung. Er verweist zugleich auf einzelne mutige Christinnen und Christen, etwa den Berliner Pfarrer Heinrich Grüber, der Juden versteckte und später selbst im KZ Dachau inhaftiert war. Seine Enkeltochter Sabine Stäritz wird an der Feier teilnehmen.

Gemeinsames Gedenken an der Jüdischen Gedenkstätte

Zum Abschluss der Veranstaltung gehen die Teilnehmenden zur benachbarten Jüdischen Gedenkstätte. Dort spricht C. Bernd Sucher als Vorsitzender der Liberalen jüdischen Gemeinde Beth Shalom München. Moris Lehner trägt Psalm 91 auf Hebräisch vor, seine Frau Anne-Rose Lieberman-Alfasi liest die deutsche Übersetzung.

Musikalisch gestaltet wird die Feier vom DiözesanJugendchor Pueri Cantores des Erzbistums München und Freising unter Leitung von Christian Schramm. Die Orgel spielt Angelika Sutor.