In dem Papier, das während der LBW-Vollversammlung in Windhuk mit großer Mehrheit verabschiedet wurde, heißt es: "Das Schicksal der Herero, Nama und anderen Ureinwohnern unter deutscher Kolonialherrschaft am Anfang des 20. Jahrhunderts bereitet den Völkern Namibias und Deutschlands bis heute Schmerzen."

Auch Bischöfe und Delegierte aus Deutschland und Namibia sprachen am Montagabend von einem "historischen Moment". Es gab 244 Ja- und 9 Nein-Stimmen bei 11 Enthaltungen. Der Lutherische Weltbund verpflichtet sich in dem Papier zur Begleitung und Unterstützung beim Versöhnungsprozess zwischen Namibia und Deutschland, sollte sie angefordert werden. "Als eine Gemeinschaft, die sich für Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung einsetzt, sehen wir den Prozess zwischen Namibiern und Deutschen als Kernstück unserer Berufung", heißt es in dem Papier.

Special

Lutherischer Weltbund (LBW) - Vollversammlung in Namibia

LogoDer Lutherische Weltbund (LWB) trifft sich vom 10. Mai bis 16. Mai zur Vollversammlung in Windhuk (Namibia). Unsere Redakteurin Christiane Ried berichtet live aus Namibia. In unserem Dossier finden Sie alle aktuellen Artikel zum Thema: www.sonntagsblatt.de/weltbund

 

 

 

 

Keine Vorschriften in Sachen Versöhnung

Der LWB-Vizepräsident und württembergische Landesbischof Frank Otfried July begrüßt die Erklärung. Es sei gut, dass der LWB weder den Namibiern noch den Deutschen vorschreibe, wie der Versöhnungsprozess auszusehen habe, sagte er dem epd. Aber der LWB wolle den "Geist dieses Prozesses begleiten." Dass jetzt just bei der Vollversammlung in Namibia der Genozid "deutlich unterstrichen" werde, sei schon ein historischer Moment, sagte July. Er finde es "richtig und gut", dass die Vollversammlung zu dem Thema eine Erklärung abgegeben, aber zugleich auch betonte habe: Namibia und Deutschland müssen diesen Versöhnungsprozess miteinander klären.

Gerhard Ulrich, Landesbischof der Nordkirche und zugleich leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, würdigt die Erklärung als "historisch" und "mutigen Schritt". Das Papier sei ein "unglaublicher Rückenwind" für die weiteren Verhandlungen, sagte er dem epd. Die Erklärung werde von allen Beteiligten unterstützt, auch den von drei lutherischen Kirchen in Namibia. Der LWB habe die Erklärung veröffentlicht, "wohlwissend, dass es gerade hier in Namibia auch unterschiedliche Bewegungen und Zielvorstellungen gibt". Das Papier sei eine hervorragende Ausgangssituation für die weiteren Gespräche zwischen der deutschen und namibischen Regierung.

Der Leiter der bayerischen Delegation, Oberkirchenrat Michael Martin, bezeichnete die Erklärung als "hervorragend", weil sie mit den drei lutherischen Kirchen in Namibia abgestimmt worden sei. Das Papier kippe kein Öl ins Feuer, sondern unterstütze den bereits begonnenen Versöhnungsprozess, betonte der bayerische Delegierte. Ganz wichtig sei in dem Zusammenhang, dass der LWB bereits vielfältige Versöhnungserfahrungen habe, etwa beim Dialog zwischen römisch-katholischen und lutherischen Christen oder zwischen Mennoniten und Lutheranern.

"Vernichtungsbefehle" als Völkermord

In der LWB-Erklärung "zur Versöhnung im Zusammenhang mit dem Völkermord in Namibia" heißt es unter anderem, dass schmerzhafte Erinnerungen nicht verschwänden, bis sie ausgesprochen seien. "Erst wenn die Wahrheit gesagt und Gerechtigkeit gesucht ist, kann tatsächlich Versöhnung über den Schmerzen der Vergangenheit stattfinden." Es gebe aber keine standardisierten, vorgefertigten Lösungen. Namibier und Deutsche müssten daher gemeinsam klären, "wie Geschichte weitergetragen werden wird, wie Gerechtigkeit gefunden wird und wie Versöhnung vorankommen kann", betont der LWB in dem Papier.

Ernst Gamxamub, Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Republik Namibia, dankte dem LWB für dessen Unterstützung. Man brauche den LWB bei der Begleitung des Versöhnungsprozesses zu hundert Prozent, sagte er stellvertretend für die drei lutherischen Kirchen in Namibia.

Ende April, also wenige Tage vor Beginn der LWB-Vollversammlung in Windhuk, hatte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein Schuldbekenntnis "Vergib uns unsere Schuld" zum Völkermord veröffentlicht. Darin bat sie die Nachkommen der Opfer der Kolonialverbrechen im damaligen Deutsch-Südwestafrika vor mehr als 100 Jahren um Vergebung. "Dies ist eine große Schuld und durch nichts zu rechtfertigen", heißt in der Erklärung. LWB-Präsident Younan begrüßte das Papier. Denn die EKD-Erklärung bekenne offen, dass die "im Oktober 1904 gegen die Herero und im April 1905 gegen die Nama ergangenen 'Vernichtungsbefehle' als 'Völkermord' zu bewerten" seien.