Auf der Baustelle vor der Lindauer Christuskirche stapeln sich allerlei Handwerkerutensilien. Betonmischmaschine, Kreissäge, Kran und tonnenweise Erde stehen und liegen auf dem Baugelände. Doch in den vergangenen Monaten hat sich seit dem Abriss des alten Gemeindehauses an gleicher Stelle einiges getan in Lindau am Bodensee in Sachen neues kirchliches Zentrum.

"Eigentlich wollten wir jetzt im Mai die Grundsteinlegung feiern", sagt der geschäftsführende Pfarrer Thomas Bovenschen. "Eigentlich", wenn nicht die Corona-Pandemie und die derzeit geltenden Einschränkungen und Regeln für größere Veranstaltungen gewesen wäre. "Jetzt suchen wir nach Alternativen, wie wir die Grundsteinlegung unter den derzeitigen Bedingungen doch noch irgendwie demnächst feiern können", sagt Bovenschen. 

Schließlich will man einer breiteren Öffentlichkeit zeigen, was sich hier seit ein paar Monaten schon getan hat und bis 2021 fertig werden soll: ein helles, barrierefreies und energetisch modernes Gebäude für die drei Kirchengemeinden St. Stephan-Christuskirche, St. Verena-Versöhnerkirche und St. Johannes Wasserburg sowie die Jugendkirche luv mit einem multifunktionalen Veranstaltungsraum und einem gemeinsamen, zentralen Pfarramt sowie Gemeinderäume für die St. Stephan-Christuskirche.

Ein offener und bunter Stadtteil für Jung und Alt

Und auch der Name ist programmatisch: "KIEZ" soll es heißen und steht für "Kirchliches Evangelisches Zentrum". "Es sollte bewusst kein angepasster Name sein, schließlich soll das neue Zentrum ein offener und bunter Stadtteil für Jung und Alt sein, in dem man sich wohlfühlt, engagiert und einfach selbst ein Teil davon ist", sagt Jugendkirchen-Pfarrerin Johanetta Cornell. Und die 18-Jährige Caro Reutin vom luv-Vorstandsteam sagt: "Wir freuen uns auf das Kiez, weil wir da coole Projekte veranstalten und neue Leute kennenlernen können." 

Die Jugendkirche gibt es schon länger, entstanden ist sie 2013. Damals hatten die Kirchengemeinden in Lindau ihre Gemeindestruktur umgebaut. Jeweils zwei Gemeinden wurden zu einer zusammengelegt. Die Jugendkirche wurde zu einem eigenen Bereich, der gemeindeübergreifend arbeitet. Der Name "luv" stammt dabei aus der Seglersprache. Er bezeichnet die dem Wind zugewandte Seite des Bootes. Für den Rückenwind in der jungen Kirche Lindau sorgen vor allem die jungen Leute selbst.

"Alle Angebote, die es hier gibt, werden von den Jugendlichen entwickelt", sagt Jugendkirchen-Pfarrerin Johannetta Cornell.  

Offen und transparent soll auch das neue Gebäude werden, in dem man durch viel Glasfassade drinnen und draußen sehen kann, was jeweils auf der anderen Seite geschieht - gemäß der Formensprache des international renommierten Architekturbüros Marte.Marte aus dem österreichischen Feldkirch, das den ersten Platz für den dafür ausgeschriebenen Wettbewerb und seine Pavillon-Idee gewonnen hatte, sagt Pfarrer Bovenschen.

Das Fundament steht, die feierliche Grundsteinlegung wurde wegen Corona verschoben und soll in den kommenden Wochen nachgeholt werden. Jugendkirchenpfarrerin Johanetta Cornell von der Jugendkirche "luv", luv-Vorständin Caro Reutin und der geschäftsführende Pfarrer Thomas Bovenschen (vlnr.)

"Hier werden künftig ganz unterschiedliche Menschen unter einem Dach zusammenkommen", sagt Jugendkirchen-Pfarrerin Cornell. Ideal sei das Gebäude aber auch deshalb, weil es viele Innenbereiche gibt, die man voneinander abtrennen oder - je nach Größe der Veranstaltungen - miteinander verbinden könne. Bis zu 120 Gäste könne man im Gemeindesaal unterbringen, sagt Bovenschen.

Kurzer Zugang zur Christuskirche

Außerdem wird es einen kurzen Zugang zur Christuskirche über den neu entstehenden Kirchhof geben, sodass künftig nach dem Gottesdienst der Weg direkt ins nebenan stehende Zentrum möglich ist, sagt Bovenschen. "Wir werden quasi alle Lösungen an einem Ort haben, der gut erreichbar und nur 20 Minuten fußentfernt von der Insel ist", sagt der geschäftsführende Theologe.  

"Und inzwischen haben die Menschen auch den Abriss des alten und energetisch auf dem Stand der 1970er Jahre verbliebenen Gebäudes im vergangenen Oktober verdaut", weiß Bovenschen. Schließlich wurde das ehemalige Gemeindehaus in den 1950er bis 1970er Jahren auch mit viel Eigenleistung von Ehrenamtlichen vor Ort gebaut.  

Die Idee für den "KIEZ" war das Ergebnis von Beratungen schon vor mehr als zehn Jahren, wie man Protestanten besser erreichen und gleichzeitig den Immobilienbestand auf Dauer finanzieren kann, erzählt Pfarrer Bovenschen.

Ursprünglich gab es alleine in Lindau vier Kirchengemeinden, die dann zu zwei zusammengelegt wurden: St. Stephan-Christus und St. Verena-Versöhnungskirche. 

Rund 4,1 Millionen Euro sind für den Neubau veranschlagt, den größten Teil davon mit etwa 2,25 Millionen Euro finanziert die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, hinzukommen Zuschüsse und Fördermittel von der Stadt oder dem Dekanat. Rund 1,5 Millionen Euro müssen die Kirchengemeinden beisteuern, den größten Teil davon vor allem die Gemeinde St. Stephan-Christuskirche, etwa 200.000 Euro werden an Spenden benötigt. 

Trotz der Corona-Krise sind die Bauarbeiten einer österreichischen Firma gut vorangekommen und liegen im anvisierten Zeitplan. Wann nun genau die Grundsteinlegung und das Richtfest gefeiert werden, hängt von der weiteren Entwicklung der Gesundheits-Krise ab. "Wir freuen uns jedenfalls gewaltig darüber, wenn es losgehen kann, eventuell dann auch im Rahmen eines größeren Gottesdienstes", sagen Bovenschen und Cornell.